Michaela Tschuor im zt Talk: «Unsere Herzen sind gross, aber unsere Möglichkeiten beschränkt»
Michaela Tschuor übernahm das Gemeindepräsidium in Wikon zu einer Zeit, in der es in der Gemeinde heftige Konflikte gab. «Die Situation war sehr unschön – für alle Beteiligten. Aus heutiger Sicht war es ein grosses Lehrstück für mich», sagt sie. Sie habe in dieser Krise ihre analytischen Fähigkeiten noch einmal schärfen können: «Sich ins Gegenüber hineinversetzen, abstrahieren von der eigenen Person, schauen, dass es um die Sache geht, das grosse Ganze sehen – dann Synergien schöpfen und Verbindungen herstellen.» Gemäss einem indianischen Sprichwort müsse man die Mokassins des Gegenübers anziehen, um dessen Perspektive kennenzulernen. In einer Exekutive sei diese Fähigkeit besonders wichtig: «Man steht immer in Dilemma-Situationen. Es gibt selten eine Situation, in der man sagen kann: Dieser oder jener Weg ist genau der richtige. Es gilt immer, Interessen abzuwägen und dann gemeinsam einen guten Weg zu finden.»
Zur Person
Michaela Tschuor-Naydowski (1977) ist promovierte Juristin. Seit 2007 ist sie Mitglied der Klinikleitung und Unternehmensjuristin der Tierklinik Mittelland AG, die rund 80 Mitarbeitende an verschiedenen Standorten beschäftigt. 2012 wurde sie als Sozialvorsteherin in den Gemeinderat Wikon gewählt, 2019 übernahm sie das Gemeindepräsidium. 2022 schaffte sie den Sprung in den Kantonsrat. Sie ist Mitglied der Parteileitung Die Mitte Kanton Luzern, seit 2019 als Vizepräsidentin. Zudem präsidiert sie den Gemeindeverband SoBZ/KESB Region Willisau-Wiggertal und ist Vorstandsmitglied in verschiedenen Organisationen (unter anderem Pflegezentrum Feldheim Reiden, Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Gesellschaft Kanton Luzern, Regionalverband zofingenregio). Michaela Tschuor ist verheiratet und Mutter von drei Kindern im Teenageralter.
Im Wahlkampf hat sie bereits gesagt, dass sie gerne das Gesundheitsdepartement übernehmen würde. Wo würde sie den Sparhebel ansetzen wollen? «Eine gemeine Frage», meint Tschuor lachend. «Ich würde es so formulieren: Sparmassnahmen allein greifen zu kurz.» Konkret geht es im Kanton Luzern um die Frage, welche Angebote in den drei Spitälern Luzern, Sursee und Wolhusen künftig aufrechterhalten werden sollen. Die Bevölkerung wolle keinen Leistungsabbau, und das Kantonsparlament habe erkannt, dass es eine Grundversorgung auch für Randregionen brauche. «Dieses Bedürfnis darf man nicht überhören.» Als Regierungsrätin würde sie deshalb der Frage nachgehen wollen, «ob alle angebotenen Leistungen notwendig und zweckmässig sind».
Tschuor verbrachte vor einiger Zeit als Schnupper-Praktikantin einen Tag im Spital – «inkognito», wie sie sagt. «Ich wollte das Spitalwesen besser kennenlernen.». Einen Tag lang liess sie sich die diversen Abteilungen zeigen. Im Hinblick auf Sparmassnahmen habe sie sich gefragt: «Muss man gleich die grosse Apparatur auffahren – oder gibt es andere Möglichkeiten, die Diagnostik sicherzustellen?»
In ihrer Gemeinde war sie intensiv mit der Unterbringung von Ukraine-Flüchtlingen konfrontiert. Der Kanton Luzern betreibt in der Marienburg Wikon seit März 2022 eine temporäre Asylunterkunft. «Wir wurden vom Departementsvorsteher sehr früh informiert, das haben wir sehr geschätzt», sagt sie. Der Gemeinderat habe gegen seine früheren Beschlüsse entscheiden müssen. Im Siedlungsleitbild von Wikon ist festgehalten, dass das ehemalige Kloster nicht in ein Asylzentrum umfunktioniert werden darf. «Aus Solidaritätsgründen stimmten wir zu.» In Ihrer Wahrnehmung sei die Bevölkerung nach wie vor solidarisch – ein wichtiges Ziel sei indes, die Solidarität nicht zu überstrapazieren. Tschuor bringt in diesem Zusammenhang ein Zitat, das sie sehr schätze: «Unsere Herzen sind gross, aber unsere Möglichkeiten beschränkt. Das gilt auch im Asylwesen. Wir sind hier an einem Punkt, an dem unsere Herzen noch gerne viel geben würden. Aber unsere Infrastrukturen kommen langsam an ihre Kapazitätsgrenzen.»
Michaela Tschuor arbeitet im Unternehmen ihres Mannes, der Tierklinik Mittelland AG. Selbst Hunde zu haben, biete sich an: «Wir haben die besten Voraussetzungen, um mit Tieren arbeiten zu können.» An Wochenenden beschäftigt sie sich intensiv mit ihren Vierbeinern. Wäre dies auch als Regierungsrätin noch möglich? Mit ihren Engagements sei sie schon heute an vielen Abenden unterwegs. «Sich kleine Inseln zu schaffen und mit den Hunden unterwegs sein – ja, das muss Platz haben.»