300 Mitarbeitende betroffen: Benteler Steel/Tube schliesst «Stahlrohri» in Rothrist Ende Jahr– Gewerkschaft reagiert
Das Werk mit rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist auf die Herstellung von geschweisst gezogenen Qualitätsrohren im Industrie- und Automobilsektor spezialisiert. Ein Schwerpunkt liegt hierbei auf Komponenten für den Antriebsstrang von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor, deren Nachfrage kontinuierlich sinkt, wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte. «Daher ist das Werk Rothrist von dieser Entwicklung besonders stark betroffen. Mit diesem Schritt reagiert das Unternehmen auch auf die seit Jahren weltweit angespannte Situation auf dem Schweissrohrmarkt.» Ein Grund hierfür seien Exporteinschränkungen durch Zölle auf den internationalen Märkten. «Das führt zu massiven Überkapazitäten und einem enormen Kostendruck in Europa. Im Jahr 2023 verschärft sich die Situation zudem durch steigende Kosten für Energie, Ersatzteile und Rohstoffe», heisst es weiter.
Langfristige Auslastung nicht möglich
«Wir bedauern sehr, die Schliessung des Werkes Rothrist per Ende 2023 planen zu müssen. Zudem sind wir uns der Tatsache bewusst, dass dies eine schwierige Nachricht für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist, von denen viele bereits seit vielen Jahren bei uns beschäftigt sind. Diesen geplanten Schritt zu gehen, ist uns nicht leichtgefallen», sagt Thomas Michels, Chief Operating Officer bei Benteler Steel/Tube.
Trotz intensiven Anstrengungen, zahlreicher Optimierungsmassnahmen in den vergangenen Jahren und Initiativen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und Neuausrichtung – inklusive der Verlagerung der Produkte aus dem Benteler-Werk in Bottrop zur Erhöhung der Auslastung und damit Senkung der Herstellkosten in Rothrist mit Start im Jahr 2020 – sei es dem Unternehmen nicht gelungen, das Werk am Standort Rothrist zukunftsfähig aufzustellen. «Aktuelle Ergebnisprognosen gehen weiterhin von einem stark defizitären Jahr 2023 aus. Darüber hinaus zeichnet sich kein Trend ab, der dieser Entwicklung entgegenwirkt.»
Personelle Veränderungen durch sozialverträgliche Massnahmen erreichen
Thomas Michels weiter: «Uns ist es wichtig zu betonen, dass bei allen notwendigen Schritten der respektvolle Umgang mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Mittelpunkt steht. Unser Ziel ist es, personelle Veränderungen durch sozialverträgliche Massnahmen zu erreichen. Wir werden umgehend ein Konsultationsverfahren mit der Mitarbeiterkommission einleiten. Dieses wird in den nächsten Wochen geführt und so zügig wie möglich zu einem Abschluss gebracht. Wir versuchen dabei den für alle Seiten bestmöglichen Umsetzungsweg zu finden und die Zeit der Unsicherheit für die Belegschaft so kurz wie möglich zu halten sowie zügig einen genauen Plan mit passenden Massnahmen vorzulegen.»
Benteler ist eine weltweit agierende Unternehmensgruppe für Kunden aus den Bereichen Automobiltechnik, Energie und Maschinenbau. Im Geschäftsjahr 2021 betrug der Umsatz 7,285 Milliarden Euro. Unter der Führung der strategischen Managementholding Benteler International AG mit Sitz im österreichischen Salzburg sind die Divisionen Benteler Automotive und Benteler Steel/Tube organisiert. Beschäftigt werden weltweit rund 25000 Mitarbeitende an 92 Standorten in 27 Ländern. Benteler übernahm die Rothrist Rohr AG – im Dorf besser bekannt unter dem Namen «Stahlrohri» – 2007 von der Schweizer Dätwyler Gruppe.
Gewerkschaft fordert, Entscheid nochmals zu prüfen
Die Arbeitnehmenden-Organisation Angestellte Schweiz reagierte am Dienstagabend umgehend auf die Nachricht, dass die Rothrister «Stahlrohri» geschlossen werden soll. «Werden gegen 300 Angestellte des Unternehmens Benteler Steel Tube GmbH Opfer der Klimakrise? Der Benteler-Konzern hat es verpasst, die Produkte des Standorts Rothrist dem Trend hin zur Elektromobilität anzupassen. Nun sieht das Management offenbar nur noch die Möglichkeit, den Betrieb in Rothrist ganz einzustellen», schreibt die Gewerkschaft.
Der Standortentscheid sei nochmals genau zu prüfen. «Angestellte Schweiz fordert das Management der Benteler Steel Tube GmbH, aber auch die Behörden und Sozialpartner auf, jetzt allen von der Massnahme betroffenen Angestellten Perspektiven zu geben. Sie müssen bei der allfälligen Suche nach einer neuen Beschäftigung nach Tat und Kraft unterstützt werden.»
Das Beispiel von Benteler in Rothrist solle für andere Industrieunternehmen eine Warnung sein. Die Welt schreite schnell Richtung Cleantech voran, und die Unternehmen sollten schon länger darauf vorbereitet sein. Pierre Derivaz, Rechtskonsulent von Angestellte Schweiz, sagt: «Es tut weh zuzusehen, wie Unternehmen den Wandel zur grüneren Wirtschaft verpassen. Angestellte müssen in die Diskussion miteinbezogen werden, wie ihre Unternehmen der Klimakrise begegnen und den Veränderungen, die sie notwendig macht.» (zt)