«Schwerwiegende Verletzung»: Finma rügt CS, eröffnet Verfahren gegen ehemalige Chefs und deckt Peinlichkeiten auf
Selten schwere Vorwürfe der Aufsicht an die Credit Suisse: Wie die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) am Dienstag mitteilt, hat die Schweizer Grossbank ihre Aufsichtspflichten im Fall Greensill «in schwerer Weise verletzt». Konkret hätten das Risikomanagement und die Organisationsstrukturen der CS bei der Pleite des Lieferketten-Finanzierers versagt. Weiter teilt die Bankenaufsicht mit, dass sie bei der Bank «korrigierende Massnahmen» angeordnet habe. Damit solle verhindert werden, dass sich derartige Fehler in Zukunft wiederholen können.
Künftig muss die Credit Suisse demnach auf Stufe Geschäftsleitung die «rund 500» wichtigsten Geschäftsbeziehungen periodisch überprüfen. Zudem muss die Bank die Verantwortlichkeiten ihrer «rund 600» höchsten Mitarbeitenden in einem Verantwortungsdokument festhalten. Die Finma hat überdies vier Verfahren gegen ehemalige Führungskräfte der Credit Suisse eröffnet. Um wen es sich dabei handelt, sagt die Bankenaufsicht jedoch nicht. Und auch die CS schweigt sich dazu am Dienstag aus.
CS «begrüsst» Finma-Entscheid
In einer Stellungnahme «begrüsst» die Credit Suisse die Entscheide der Finma. Laut CEO Ulrich Körner ist dies «ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur endgültigen Bewältigung der Supply-Chain-Finance-Funds-Angelegenheit». Und die Bank verspricht, die Anordnungen und Empfehlungen der Bankenaufsicht vollständig umzusetzen. Körner war vor zwei Jahren als Aufräumer im Greensill-Fall zur CS gestossen. Inzwischen ist er an die Spitze der Bank aufgestiegen.
Zudem schreibt die Credit Suisse, dass sie in den vergangenen zwei Jahren – also seit der Schliessung des pleitegegangenen Lieferketten-Finanzierers – bereits «eine Reihe weitreichender organisatorischer Massnahmen getroffen» habe. Dies nach einer selber in Auftrag gegebenen externen Untersuchung. Darauf seien auch bereits «von der Finma festgestellte Mängel behoben» worden. Darüber hinaus würde sich die Bank nun «weiter darauf konzentrieren», die Rückzahlungen an die Anlegerinnen und Anleger des geschlossenen Fonds zu maximieren.
Drei Viertel der investierten Gelder bereits zurückbezahlt
Vor zwei Jahren musste die Credit Suisse kurzfristig vier Fonds schliessen die im Zusammenhang standen mit dem britisch-australischen Finanzkonglomerat Greensill. In diesen gemeinsam aufgelegten sogenannten Lieferketten-Finanzierungs-Fonds hatten bei der CS über tausend institutionelle und vermögende Privatinvestoren rund 10 Milliarden Dollar angelegt.
Inzwischen hat die Bank laut Mitteilung vom Dienstag 7,4 Milliarden oder 74 Prozent des Nettoinventarwerts der Fonds zum Zeitpunkt ihrer Aussetzung an Investoren zurückbezahlt. Weitere Auszahlungen sollen zur Jahresmitte folgen. Zwei der vier Fonds sind inzwischen auch bereits liquidiert.
Greensill hatte das Geschäftsmodell entwickelt, Lieferanten offene Rechnungen abzukaufen. Der Finanzdienstleister bezahlte die Lieferanten sofort, mit einem Abschlag, und machte Gewinn, wenn die Schuldner die Rechnungen später voll bezahlten. Schliesslich brach das Modell zusammen, als sich viele Forderungen als nicht werthaltig herausstellten.
Peinlichkeiten aufgedeckt
Die Greensill-Pleite und deren Folgen gelten als massgeblicher Teil der Ursache der aktuellen Krise der Credit Suisse. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat die Schweizer Grossbank im vergangenen Herbst eine Neuausrichtung bekannt gegeben.
Die CS hebt entsprechend am Dienstag auch hervor, was sie aufgrund des Greensill-Skandals schon alles getan hat. Es ist allerdings dringend nötig, dass sie ihre Risikokontrolle verbessert. Denn was die Finma da alles an Mängeln aufdeckt hat, ist hoch peinlich für die Credit Suisse.
Da ist einmal der Umstand, wie die CS auf kritische Fragen reagierte – sie holte sich die Antworten teilweise beim Greensill-Gründer selbst, also bei Lex Greensill. Die Finma schreibt: «Wiederholt fragte die Credit Suisse sogar bei Lex Greensill selbst nach und übernahm dessen Antworten für ihre eigenen Stellungnahmen.»
«Falsche und zu positive Angaben»
Wenig überraschend fielen diese Antworten beschönigend aus – die CS gab sie dennoch an die Finma weiter, wenn diese kritische Fragen stellte. «Gegenüber der Finma machte die Bank aus diesen Gründen teilweise falsche und zu positive Angaben zum Auswahlprozess der Forderungen sowie zum Exposure der Fonds gegenüber bestimmten Schuldnern.»
Des Weiteren berichtet die Finma von Handlungen, mit denen die CS schliesslich die Kontrolle über die Fonds von Greensill mehr oder weniger abgab – an Greensill selbst. Die Credit Suisse habe «insgesamt wenig Wissen und Kontrolle über die konkreten Forderungen» gehabt. Sie habe diese Forderungen nicht selbst ausgewählt und geprüft, wie sie es als Asset-Managerin hätte tun sollen. Sondern sie überliess dies Greensill selbst. Die CS habe «keine Kenntnis und Kontrolle», wie viele Forderungen tatsächlich vertraglich geschuldet waren. «Sie vertraute in diesem Zusammenhang auf den von Greensill organisierten Versicherungsschutz.»