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«Kanton spielt Einheimische gegen Geflüchtete aus»: SVP, SP und Netzwerk Asyl üben scharfe Kritik

49 Mieterinnen und Mieter müssen ausziehen, weil der Kanton in ihren Wohnungen Geflüchtete unterbringen will. Die SVP Aargau sagt «Nein zur Vertreibung von Mietern», die SP protestiert entschieden und stellt sich hinter den Gemeinderat. Das Netzwerk Asyl kritisiert, der Kanton habe es in den letzten Jahren verpasst, mehr Plätze zu schaffen. 

Der Kanton will in Mehrfamilienhäusern an der Zelglistrasse 9 und Mülligerstrasse 11/13 in Windisch bis zu 100 Geflüchtete unterbringen. Die 49 Mieterinnen und Mieter, die im Moment dort wohnen, haben vom Eigentümer der Liegenschaften die Kündigung erhalten. Bis Ende Juni müssen sie eine neue Bleibe finden.

«Nein zur Vertreibung von Mietern!» oder «Das darf so nicht geschehen!», schreibt die SVP Aargau in einer Mitteilung. Die Partei zeigt sich «schockiert, sollte sich bewahrheiten, dass nun auch im Aargau Mietern gekündigt wird, um Asylsuchende unterzubringen».

Es müsse nun geklärt werden, ob der Kanton die Liegenschaft tatsächlich im Wissen darum angemietet hat, dass sie vermietet ist. Weiter will die SVP wissen, welche Rolle der Vermieter spielt und ob der Kanton mehr oder weniger Miete bezahle, als es die Mieter bisher taten.

Ganz allgemein zeige die Situation aber «einmal mehr exemplarisch, wie das Asylwesen komplett aus dem Ruder gelaufen ist». Die SVP Kantonalpartei wiederholt in ihrer Mitteilung die altbekannte Forderung, dass «die Einreise von nicht berechtigten Personen verhindert werden muss und abgewiesene Asylsuchende schleunigst ausgeschafft werden müssen».

Günstige Wohnungen für Menschen mit tiefen Einkommen

Auch die SVP Bezirk Brugg ist schockiert. «Unbescholtene Bürgerinnen und Bürger» seien aus ihren Wohnungen gekündigt worden, um Asylbewerbern Platz zu machen, heisst es in der Mitteilung. Besonders tragisch sei, dass es sich um Liegenschaften mit sehr tiefen Mieten handle, die hauptsächlich von Menschen mit tiefen Einkommen bewohnt werden. «Wo sollen sie auf dem ausgetrockneten Wohnungsmarkt etwas Neues finden?»

Aufhorchen lasse auch, dass der Kanton wohl Kontakt mit der Gemeinde Windisch hatte, ihre Vorbehalte aber «respektlos ignoriert» habe. Die Bezirkspartei fordert den Kanton auf, «den eigenen Worten treu zu bleiben und verhältnismässig und zurückhaltend mit der ausgerufenen Notlage im Asylwesen umzugehen». Der Kanton solle andere Möglichkeiten in der Region Brugg Windisch erarbeiten. Erwähnt werden die militärischen Anlagen in Windisch. Diese seien zentral gelegen und leer, seien aber zurückgestuft und als unbrauchbar deklariert worden. «Diese Deklaration ist zu hinterfragen und die allgemeinen Anforderungen zu redimensionieren», verlangt die Bezirkspartei.

SP Aargau: Kanton spielt Geflüchtete gegen Einheimische aus

Kritik kommt auch von links: Die SP Aargau protestiert entschieden gegen das Vorgehen des Kantons und stellt sich hinter den Gemeinderat Windisch. «Offensichtlich fehlt es den Verantwortlichen an politischem Fingerspitzengefühl», kritisiert Co-Präsident Stefan Dietrich.

Die SP Aargau fordere eine bessere Lösung und «vor allem keine, die auf dem Rücken der Mieterinnen und Mieter ausgetragen wird». Alle anderen Optionen seien zu prüfen: Eine Unterbringung in Containern oder auch die Aktivierung von Bundeseinrichtungen. «Hier werden Geflüchtete gegen Einheimische ausgespielt und anstatt ein Problem zu lösen, schafft der Kanton neue und sorgt für unnötige Spannungen», kritisiert Dietrich.

Netzwerk Asyl Aargau: Kanton hat sich nicht auf hohe Zahlen vorbereitet

Rolf Schmid, Präsident des Vereins Netzwerk Asyl Aargau, schreibt auf Twitter, der Gemeinderat Windisch sei zurecht wütend. «Der Kanton trägt die Verantwortung und glaubt hier ein Problem zu lösen, schafft aber mindestens 49 neue.» Statt vermietete Liegenschaften als Asylunterkunft umzunutzen, sollten die Verantwortlichen leerstehende, bestenfalls kantonale Liegenschaften und Areale suchen, die dafür geeignet wären, sagt Schmid.

Ein gutes Beispiel sei der A3-Werkhof in Frick, der als Zwischenlösung genutzt werden konnte. «Ich bin sicher, es gibt im Aargau weiter solche Anlagen oder Flächen, die sich eignen würden», sagt Schmid. In den letzten sieben Jahren seit der Flüchtlingskrise habe es der Kanton verpasst, sich darauf vorzubereiten, dass es nach 2015/16 erneut hohe Zahlen von Geflüchteten geben könnte.

Forderung: Freie Wohnsitzwahl und Privatunterkunft für alle Geflüchteten

«Erneut werden unterirdische Anlagen belegt, obwohl das nicht optimal ist, das seit langem geplante Integrationszentrum des Kantons steht noch nicht, und erneut werden Geflüchtete auf Gemeinden verteilt, die mit der Unterbringung überfordert sind», sagt Schmid. Der Kanton hätte längst Lösungen suchen sollen, findet er: «Es braucht keinen Luxus, aber es gibt Planungsbüros, die sich bestens mit dem Bau von zweckdienlichen günstigen Kollektivunterkünften auskennen.»

Schmid ergänzt, das Netzwerk Asyl Aargau fordere seit langem die freie Wohnsitzwahl für Geflüchtete. «Das wäre eine viel bessere Lösung, als sie den Gemeinden zuzuteilen, die oft keine geeigneten Wohnungen haben oder nicht willens sind, Geflüchtete aufzunehmen.» Natürlich müssten Gemeinden, in denen viele Geflüchtete wohnen, dann vom Kanton finanziell unterstützt werden. «Zudem fordern wir, dass alle Geflüchteten, nicht nur jene aus der Ukraine mit Schutzstatus S, privat untergebracht werden können», sagt Schmid.