«The Happiest Man in the World»: Eine Anleitung zum Glücklichsein über Umwege
Es ist eine schräge Veranstaltung, auf der sich Asja wiederfindet. Der Dating-Event, der in einem betonlastigen Kongresshaus mit vergilbten Vorhängen in der bosnisch-herzegowinischen Hauptstadt Sarajevo stattfindet, setzt seine eigenen Regeln. Der zurückhaltend-neugierigen Frau Anfang 40 wird ein uniformierendes Hemd gereicht, das sie über ihr hübsches Kleid ziehen soll. Daraufhin werden alle in den «Salon Zürich» geleitet, wo sie an bereitgestellten Zweiertischen Platz nehmen. Es ist ein Kennenlernen auf neutralem Boden. Nun ist der Tag gekommen, an dem sich die Paare unter Anleitung der Kupplerinnen begegnen.
Verantwortlich für das Unglück
Die nordmazedonische Regisseurin Teona Strugar Mitevska («God exists, her Name is Petrunya», 2019) baut ein eigenwilliges Setting auf, das als kammerspielartige Bühne für ein von absurd-humoristischen Elementen durchdrungenes Drama dient. Zoran, ein hagerer Mann, dessen Fahrigkeit man zuerst seinem Zuspätkommen zuordnet, nimmt gegenüber von Asja Platz. Mit seiner Ankunft ist Strugar Mitevkas 40-köpfiges Ensemble komplett. Über die Lautsprecher prasseln die ersten Fragen des kollektiven Kennenlernquiz über die Teilnehmenden hinein.
Was ist die Lieblingsfarbe, welche die liebste Jahreszeit? Spielerisch werden auch die anderen Paare mit eingebunden, sie verorten das Geschehen und bringen den für die bosnische Kultur so typischen Humor zum Ausdruck. Mit jeder weiteren Frage steigt die Anspannung und es wird klar, dass Zoran mehr über Asja weiss, als er zugibt. Bis er sich dazu bekennt, für ihr grösstes Unglück im Leben verantwortlich zu sein. Als Mädchen wurde sie während der Belagerung von Sarajevo von einer Kugel lebensgefährlich verletzt. Nun sitzt der junge Soldat am Abzug ihr gegenüber.
Spätestens hier entwickelt der Ensemblefilm einen nervenaufreibenden Sog. Während Zoran, getrieben von Schuld, sich zu erklären versucht, muss sich Asja ihrem längst verdrängten Trauma stellen. Meisterhaft choreografiert die Regisseurin ihre Darstellenden durch eine emotionale Berg- und Talfahrt hin zum kathartischen Finale. Ihr gelingt es mit dramaturgischen Mitteln und ganz ohne kontextualisierende Rückblenden, das Grauen des Krieges spürbar zu machen, das Überlebende im Alltag jeder Zeit überkommen kann. Die emotionale Grundlage der Erzählung basiert auf der eigenen Erfahrung der Co-Autorin Elma Tataragić, was der Geschichte über Schuld und Vergebung eine besondere Dringlichkeit verleiht.
Den eigenen Konflikten stellen
«Wir müssen unsere Erfahrungen teilen, auch wenn sie manchmal unbequem sind», sagt die Regisseurin im Interview. Strugar Mitevska erprobt durch ihren Film Vergebung – ein Prozess, der nur beginnen kann, wenn man sich seinen eigenen Konflikten stellt. «The happiest Man in the World» ist, wem das gelingt. Strugar Mitevska fordert dazu auf, als Gesellschaft wieder zusammenzukommen, sich der Vergangenheit zu stellen und sich in sich selbst neu zu verlieben. Eine wahrhaft universelle Botschaft.