Zum Drachen auf Schloss Lenzburg gesellt sich nun ein Einhorn: Sonderausstellung zum faszinierenden Fabelwesen
Es ist rosarot, glitzernd und aus Plüsch. Es ist majestätisch und thront auf dem Etikett einer Gin-Flasche. Es ist verspielt und ziert eine Packung Kondome. Das Einhorn hat in den letzten Jahren massiven Aufschwung erlebt. Und vorher schon: durch den Film «Das letzte Einhorn» von 1982.
Heute ist ganz klar, dass es sich um ein Fabelwesen handelt. Das war während vieler Jahrhunderte aber ganz anders. Inwiefern, das zeigt die kleine Sonderausstellung «Einhorn – eine fabelhafte Geschichte» auf Schloss Lenzburg,
Ein echtes Kleinpferd präpariert
Der grösste Publikumsmagnet: ein echtes, präpariertes Kleinpferd mit einem Horn. Das Pony stammt aus einem Zoo in der Schweiz, ist eines natürlichen Todes gestorben und wurde in Wettingen hergerichtet, heisst es beim Medienrundgang.
Inzwischen, rund zwei Wochen nach Saisonbeginn und Ausstellungseröffnung, ist das Pony/Einhorn vom Publikum abgeschirmt worden. Die Verantwortlichen erklären wieso: Zu gross war die Verlockung, es anzufassen, sich gar draufzusetzen oder ihm Haare auszuzupfen, als Glücksbringer. All das ist natürlich nicht erlaubt.
Zurück aber in die Vergangenheit, zur Geschichte des Einhorns im Verlauf der Jahrhunderte. Seit der Antike faszinierte es die Menschen, sagt Samuel Studer, Leiter Ausstellungen beim Museum Aargau und Kurator der Sonderausstellung. Bis ins 17. Jahrhundert war man sich sicher, dass es existiert.
Gerätselt wurde aber über die Bedeutung des Tieres. In der Religion stand es für Reinheit, wurde mit Jesus Christus selbst in Verbindung gebracht. Ein Bilderteppich, handgewoben um 1607, zeigt etwa ein Einhorn, das sich Maria zuwendet. Nur eine Jungfrau konnte das Tier anlocken, so glaubte man.
Das Einhorn zierte aber auch Wappen, stand für Stärke, Wehrhaftigkeit und Angriffslust; «wie ein Löwe oder ein Bär», so Studer.
Pulver aus dem Horn gemahlen
Nicht zu vernachlässigen: Die Bedeutung in der Medizin. Dem absolut seltenen und deshalb umso wertvolleren Horn sprach man heilende Kräfte zu. Das, was man für das Horn des faszinierenden Tieres hielt, wurde zu Pulver gemahlen, das man bei Krankheiten und Vergiftungen einnahm.
Gerade im Bereich der Wissenschaft begann der Glaube an die Existenz dann aber zu bröckeln. Gelehrte wiesen schon im 16. Jahrhundert darauf hin, dass das, was da im Umlauf ist, kaum Einhorn-Horn ist, sondern Narwal-Zahn. Als ein dänischer Forscher der Fachwelt denn einen solchen Walschädel inklusive Zahn präsentierte, waren die Zweifel ausgeräumt. Zumindest in diesen Kreisen.
Die Wissenschaft verabschiedete sich also nach und nach von der Existenz des Tieres, es wurde zum Fabelwesen. «Es verschwand aber nicht», sagt Samuel Studer, «im Gegenteil». Er spricht von einem regelrechten «Einhorn-Hype», der in den letzten Jahren aufkam. Die Vitrine, die mit Abstand die meisten Fingerabdrücke aufweist, ist denn auch jene, in denen Zeitgenössisches rund ums Einhorn ausgestellt ist. Und da ist bei weitem nicht nur für Kinder etwas dabei.