Private sammeln über 55’000 Franken für armutsbetroffene Seniorin – andere haben weniger Glück
«Dörft ich Wissmähl ha?», fragt Monika Steiger, als sie mit ihrem Einkaufstrolley vor den Helferinnen von «Tischlein deck dich» steht. Die 75-jährige Rentnerin erhält an der Lebensmittelausgabe in Dietikon gratis Esswaren, weil sie nach Abzug von Miete und Krankenkasse mit 1100 Franken im Monat über die Runden kommen muss.
Monika Steiger erzählt SRF-Reporterin Mona Vetsch, wie sie 16 Jahre lang ihren kranken Ehemann pflegte; wie sie ihn ins Pflegeheim geben musste und wegen der Kosten in die Schulden abrutschte; wie ihre Pensionskasse gepfändet wurde. Wie sie das Team von «Mona mittendrin» bei sich zu Hause empfängt und auf der Türschwelle sagt: «Ich läbä eifach und armselig. Und ich schäm mi fascht echli» – das berührte die Schweiz.
Eine Privatperson aus Zürich übernahm die Initiative: Auf der Plattform www.gofundme.com wurde eine private Sammlung für die verwitwete Seniorin lanciert, die seit 51 Jahren direkt neben den Gleisen wohnt, und doch erst zweimal im Zug sass. Das Ziel: 3000 Franken für ein Generalabonnement 2. Klasse, damit Monika Steiger sich ihren grossen Wunsch erfüllen kann – im Zug die Schweiz entdecken.
Nach ein paar Stunden war das Spendenziel von 3000 Franken erreicht. Auch Steigers Schulden von 9000 Franken waren bald gedeckt. Bis am Nachmittag des 17. April kamen mehr als 55’000 Franken zusammen.
SRF: «Ein ungewöhnlich grosses Echo»
«Die Sendung hat viel Echo ausgelöst», schreibt SRF auf Anfrage. Im Publikumsservice gingen bis am Montagmittag 256 Mails ein, weitere 160 Anfragen erreichten die Redaktion direkt. So viel Rücklauf sei «doch eher ungewöhnlich».
Bei einem «Reporter» im Oktober 2022 über einen jungen Mann, der als Schüler von Rechtsextremen brutal zusammengeschlagen wurde und seither behindert ist, kam auf private Initiative ebenfalls eine Sammlung zustande. Auch Geschichten von Auslandkorrespondentinnen und Auslandkorrespondenten würden immer wieder für Betroffenheit und Hilfsangebote sorgen. «Es kommt also immer wieder mal vor», schreibt SRF, «das Ausmass der Betroffenheit variiert jedoch stark – von vereinzelten Anfragen bis zu Dutzenden Mails ist alles möglich».
SRF wies auf Twitter darauf hin, dass es verschiedene spendenfinanzierte Organisationen gebe, die überschüssige Lebensmittel an Armutsbetroffene verteilten. Machte sich die Solidaritätswelle auch bei ihnen bemerkbar?
Keine Spenden für «Tischlein deck dich» Wohlen
Bei «Tischlein deck dich» in Wohlen, wo Mona Vetsch im Rahmen der aktuellen Sendung ebenfalls zu Gast war, blieb es offenbar deutlich ruhiger, wie Abgabestellenleiterin Brigitta Hubeli sagt. Zuspruch und Unterstützung habe es gegeben, allerdings nicht finanzieller Art. Eine Person wandte sich mit einem Spendenangebot an Hubeli, dieses war ebenfalls an Monika Steiger gerichtet und nicht an Wohler Armutsbetroffene oder an «Tischlein deck dich» direkt.
Enttäuscht ist Hubeli deswegen nicht. Der Gemeinnützige Frauenverein Wohlen gibt auf seiner Website zwar ein Spendenkonto an, gleichwohl sei die Dachorganisation «Tischlein deck dich» für Geldspenden die richtige Adresse, sagt sie. Dort stellt man einen «etwas erhöhten, aber derzeit noch nicht näher bezifferbaren Rücklauf» von E-Mails und Spenden fest.
Ursachen bekämpfen statt Symptome
Die Solidaritätswelle für Monika Steiger ist auch Martina Ziegerer nicht entgangen. Sie ist Geschäftsleiterin von Zewo, einer Stiftung, die Gütesiegel an Hilfsorganisationen ausstellt. «Spenden ist oft ein emotionaler Akt», schreibt sie, «da scheint direkte Hilfe an eine bestimmte Person manchen Spenderinnen und Spendern auf den ersten Blick besonders wirksam.»
55’000 Franken seien für eine einzelne Person sehr viel Geld auf einmal. «Damit könnte eine Hilfsorganisation mehreren Menschen helfen, die in einer ähnlichen Lage sind», schreibt Ziegerer. Auch jenen, die keine mediale Plattform erhalten.
Zudem würden sich viele Hilfswerke dafür einsetzen, die Ursachen dieser Not zu verändern. Das sei bei privater Einzelfallhilfe weniger der Fall: «Sie lindert eher die Symptome als die Ursachen.»