Afghane reist illegal in die Schweiz ein und wird zu einer Freiheitsstrafe verurteilt – das Bundesgericht kippt das Urteil
Das hatte sich Aamun (Name geändert) anders vorgestellt: Am 24. Mai 2020 reiste der Afghane trotz Einreiseverbot in die Schweiz ein, bestieg in Basel den Zug nach Zürich – und wurde bereits in Frick von der Bahnpolizei angehalten. Als Grund für seine Einreise gab er an, in der Schweiz ein Asylgesuch einreichen zu wollen, da er im für ihn zuständigen Dublin-Staat Kroatien eine Verfolgung durch Schlepper befürchte.
Da Aamun in den zwei Jahren zuvor bereits dreimal wegen desselben Delikts vor Gericht stand, hob das Bezirksgericht Laufenburg die bedingten Strafen auf und verurteilte ihn zu einer kumulierten unbedingten Freiheitsstrafe von 150 Tagen.
Aamun zog das Urteil ans Obergericht weiter und, nachdem dieses das Urteil der Vorinstanz bestätigt hatte, ans Bundesgericht. Sein Anwalt verlangte, es sei statt der Freiheitsstrafe eine bedingte Geldstrafe von maximal 20 Tagessätzen auszusprechen und auf den Widerruf der Vorstrafen sei zu verzichten.
Aamun war inzwischen im Asylverfahren
Dabei verwies der Anwalt auch darauf, dass das Staatssekretariat für Migration auf das Asylbegehren von Aamun eingegangen sei und er sich somit zum Zeitpunkt des Obergerichtsurteils legal in der Schweiz aufgehalten habe. Von einer Uneinbringlichkeit der Geldstrafe könne damit ebenso wenig eine Rede sein wie davon, dass er erneut im Bereich des Ausländergesetzes (AIG) straffällig werden könnte.
Das Obergericht ging von einer ungünstigen Prognose aus. Wer sich mehrfach und innert kurzer Zeit über die Rechtsordnung hinwegsetze, offenbare eine Gleichgültigkeit dieser gegenüber, die keine günstige Prognose erlaube.
Das Bundesgericht gibt Aamun nun in den Punkten recht, in denen es auf die Beschwerde eintritt. Insbesondere hätte die Vorinstanz nach Ansicht des Bundesgerichts klarer begründen müssen, weshalb sie eine Freiheits- und nicht eine Geldstrafe ausspreche. Denn selbst wenn eine Ausschaffung unmittelbar bevorstehen würde, hätte man nicht unbesehen auf die Unvollziehbarkeit der Geldstrafe schliessen können. «Wenn die Geldstrafe sofort bzw. bis zum Ablauf der Ausreisefrist vollständig vollzogen werden kann, ist eine Gefährdung des Geldstrafenvollzugs ausgeschlossen.»
Grund für Schlechtprognose nicht ersichtlich
Das oberste Gericht verweist zudem auf ein Urteil, nach dem eine Vorstrafe wegen rechtswidrigen Verweilens im Land nicht die Stellung einer schlechten Prognose erlaube, wenn dem Beurteilten in der Zwischenzeit eine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden sei und er sich mithin rechtmässig in der Schweiz aufhalte. Die Vorinstanz übersehe, «dass sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Entscheids angesichts des (damals) laufenden Asylverfahrens legal in der Schweiz aufhielt. Mithin konnte er – zumindest in diesem Zeitpunkt – gar nicht im Sinne von Art. 115 AIG rückfällig werden».
Nicht ersichtlich ist für das Bundesgericht deshalb, weshalb die Vorinstanz eine Schlechtprognose für Aamun stellte. «Abgesehen von der (mehrfachen) Verurteilung wegen derselben Delikte hat der Beschwerdeführer – soweit ersichtlich – keine Vorstrafen. Eine Schlechtprognose für andere Straftaten bestand daher ebenso wenig.»
Das Bundesgericht hebt das Urteil auf und weist den Fall zur Begründung hinsichtlich der auszusprechenden Strafart an die Vorinstanz zurück. «Die Vorinstanz wird ihren Entscheid entsprechend zu begründen haben. Überdies wird sie auch über die weiteren Straffolgen erneut zu entscheiden haben.»