Bund und Kantone wollen 100’000 private Luftschutzkeller aufheben
In der Schweiz hat grundsätzlich jede Einwohnerin und jeder Einwohner einen Schutzplatz in der Nähe des Wohnortes. Insgesamt sind in etwa 370’000 privaten und öffentlichen Schutzräumen rund neun Millionen Schutzplätze vorhanden – der Deckungsgrad für die Bevölkerung ist weltweit einzigartig hoch.
Allerdings dienen die Relikte aus dem Kalten Krieg heute gerade in Einfamilienhäusern vor allem als zusätzliches Kellerabteil oder Hobbyraum. Wieder andere Einwohnerinnen und Einwohner dürften gar nicht wissen, wo sich ihr Schutzraum überhaupt befindet.
Doch nun soll es diesen kleinen Schutzräumen mit maximal sieben Plätzen an den Kragen gehen. Das zeigt das bisher unveröffentlichte «Konzept Schutzbauten» des Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs), über das SRF am Freitag berichtete und das auch CH Media vorliegt. Der Bund und die Kantone haben über ein Jahr an dieser neuen Strategie gearbeitet, die rund 100’000 Schutzräume in Einfamilienhäusern betrifft.
Veraltete Lüftungen müssten ersetzt werden
Hintergrund des Entscheids ist die Lüftung respektive das in diesen Kleinstschutzräumen installierte Ventilationsaggregat. Denn diese sind bereits über 40 Jahre alt und müssen aus Altersgründen erneuert werden. Das Problem: Sie werden nicht mehr hergestellt, wie es im Konzept heisst. Und eine Erneuerung sei aufgrund des Kosten-Nutzen-Verhältnis «nicht sinnvoll». Daher sollen diese Schutzräume «wo immer möglich sukzessive aufgehoben» werden.
Allerdings ist nicht nur die Technik ein Problem. In einer Notlage könne der Zivilschutz Menschen in vielen kleinen Anlagen realistischerweise gar nicht richtig betreuen, sagte Urs Marti gegenüber SRF. «Diese Schutzräume sind im Ereignisfall sehr schwer zu bewirtschaften. Das kann nicht durch den Zivilschutz alles sichergestellt werden.» Der Präsident der Konferenz der kantonalen Zivilschutzverantwortlichen bestätigte seine Aussagen auf Anfrage von CH Media.
Umsetzung braucht Zeit und politischen Entscheid
Bei grösseren Anlagen mit 25 bis 50 Plätzen sei der Betrieb im Ereignisfall hingegen deutlich einfacher. Daher sollen die Bewohner von Einfamilienhäuser in einer Notlage in grösseren Anlagen Schutz finden – statt im eigenen Luftschutzkeller. Marti ist aber wichtig, dass es sich vorerst nur um eine Absicht handle und die Realisierung Zeit brauche.
Das Aus für die kleinen Luftschutzkeller soll laut Urs Marti schrittweise erfolgen. «Sie können erst aufgehoben werden, wenn genügend andere Plätze in der Region zur Verfügung stehen.» Daher würden die Behörden den Betroffenen zuerst neue Plätze zuweisen. Und erst wenn diese Planung feststelle, dass genügend Schutzräume vorhanden seien, könne man auf die kleineren und aufwändigeren Luftschutzkeller verzichten.
Als Ersatz sollen gemäss Konzept öffentliche Schutzräume beziehungsweise umgenutzte Schutzanlagen dienen – etwa bestehende Kommandoposten oder ähnliche Zivilschutzanlagen, die umfunktioniert werden. Das alles braucht jedoch Zeit – und allenfalls auch noch gesetzliche Änderungen, wie Marti betont.
Konzept nimmt Erkenntnisse aus dem Ukraine-Krieg auf
Im Konzept halten Bund und Kantone auch Erkenntnisse aus dem Ukraine-Krieg fest. Sie wollen unter anderem bezüglich Baupflicht eine Ausnahmeregelung aufheben. Damit könnten die Behörden künftig in allen Gemeinden Schutzräume in Wohnhäusern verlangen, auch wenn diese weniger als die heute vorgeschriebenen 38 Zimmer haben.
Zudem gingen die Behörden bislang davon aus, dass bei einem bewaffneten Konflikt eine Vorwarnzeit von mehreren Jahren besteht. Entsprechend gab es keine Ausrüstungspflicht für Schutzräume, die vor 1987 gebaut wurden. Doch nun sollen diese gemäss Konzept mit Liegestellen und Trocken-WCs nachgerüstet werden – auf Kosten der Eigentümerinnen und Eigentümer.