Aargauer Arzt schwänzte aus Angst vor Corona den Prozess – das Bundesgericht schmettert seine Beschwerde ab
Er sprach von «konkreter Lebensgefahr», die ihm drohen würde, wenn er an diesem Tag im Januar 2022 – mitten in der Omikron-Welle – vor Gericht hätte erscheinen müssen. Der separate, desinfizierte Raum, der ihm das Bezirksgericht Aarau zur Verfügung stellte, reichte ihm nicht. Also erschien er nicht zur angesetzten Gerichtsverhandlung.
Das Bezirksgericht wertete sein Nichterscheinen als Rückzug der Einsprache gegen den Strafbefehl. Das fand der beschuldigte Arzt «nicht haltbar». Er wehrte sich bis vor Bundesgericht für einen neuen Prozesstermin. Ohne Erfolg, wie das kürzlich publizierte Urteil zeigt. Die höchsten Richterinnen und Richter bezeichnen die Einwände des Arztes im Urteil als «unbegründet» und «nicht stichhaltig».
Sein Verhalten zeugt von Desinteresse
Der Arzt argumentierte, er verfüge aufgrund seiner Krebserkrankung nur noch über ein sehr eingeschränktes Abwehrsystem. Die vom Gericht angeordneten Schutzmassnahmen entsprächen nicht den ärztlichen Vorgaben. Das Bundesgericht sieht dies anders. Der Arzt habe ja selbst vorgeschlagen, während der Verhandlung in einem separaten Raum untergebracht zu werden und die Befragung per Video durchzuführen.
Die Richterinnen und Richter in Lausanne verstehen auch nicht, weshalb sich der beschuldigte Arzt im Vorfeld nicht vergewissert hat, ob die Gerichtsverhandlung stattfindet oder nicht. Er habe sich einfach nicht mehr vernehmen lassen. Deshalb sei es nicht zu beanstanden, wenn die Strafkammer des Obergerichts aus diesem Verhalten schliesse, er habe kein Interesse mehr am Fortgang des Verfahrens.
Arzt kassiert bedingte Geldstrafe und Busse
Mit dem höchstrichterlichen Urteil wird der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft rechtskräftig. Der Arzt kassiert eine bedingte Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 570 Franken sowie eine Busse von 6800 Franken wegen mehrfacher Verleumdung und mehrfacher Verletzung des Berufsgeheimnisses. Ausserdem muss er die Verfahrenskosten tragen.
Er hatte – zusammen mit einem anderen Arzt – ein anonymes Schreiben verfasst, das die beiden unter anderem an mehrere Chefs von Aargauer Spitälern schickten. Im Schreiben bezeichneten sie einen Neurochirurgen als «Arzt ohne Moral und Ehrlichkeit».
Der zweite beschuldigte Arzt hat seine Einsprache gegen den Strafbefehl bereits im Januar 2022 im Laufe der Gerichtsverhandlung zurückgezogen. Auch er kassierte eine bedingte Geldstrafe und eine Busse.