Sie sind hier: Home > Initiative > «Unsägliches Fleisch-Bashing»: SVP-Nationalrat bekämpft Vegi-Initiative – obwohl sie den Selbstversorgungsgrad erhöhen will

«Unsägliches Fleisch-Bashing»: SVP-Nationalrat bekämpft Vegi-Initiative – obwohl sie den Selbstversorgungsgrad erhöhen will

Eine neue Initiative will die Landwirtschaft stärker auf die Produktion von pflanzlichen Lebensmitteln ausrichten. Fleisch soll zum Luxusgut werden. Dagegen wehrt sich SVP-Nationalrat und Fleischfachmann Mike Egger vehement.

Franziska Herren, die Initiantin der Trinkwasser-Initiative, lanciert ein neues Volksbegehren. Am Dienstag startet die Unterschriftensammlung für die Initiative für eine sichere Ernährung. Sie verfolgt das Ziel, den Netto-Selbstversorgungsgrad von heute 50 auf mindestens 70 Prozent zu erhöhen. Dazu soll die landwirtschaftliche Produktion vermehrt auf den Konsum von pflanzlichen Produkten ausgerichtet werden. Vor allem auf jenen Ackerflächen, auf denen heute Futtermittel für die Tierhaltung angebaut werden, sollen künftig vermehrt Getreide, Kartoffeln und Hülsenfrüchte wachsen.

Zwar soll keine Ernährungsform ausgeschlossen werden, so Herren gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Doch: «Fleisch essen muss ein Luxus werden.» Diese Aussage löst bei SVP-Nationalrat und Fleischfachmann Mike Egger heftigen Widerstand aus. Er nimmt im Interview Stellung zu den Auswirkungen des Fleischkonsums auf die Umwelt, zum importierten Viehfutter – und er sagt, was er von Fleischalternativen hält.

Nationalrat Mike Egger (SVP/SG).
Bild: Keystone

Herr Egger, Ihre Partei spricht stets von Ernährungssicherheit. Diese liesse sich in der Schweiz erhöhen, wenn wir mehr pflanzliche Produkte direkt verzehren und nicht zuerst den Tieren verfüttern würden. Weshalb wehren Sie sich dagegen?

Die Fleischproduktion ist für die Schweizer Landwirtschaft sehr wichtig. Nutztierhaltung macht in der Schweiz sehr viel Sinn, da wir genügend Wasser und viele Wiesen und Weiden haben, insgesamt sind es rund 60 Prozent der Landwirtschaftsfläche. Darauf können wir keinen Ackerbau machen. Auf den Alpen beispielsweise kann man nur dank der Wiederkäuer hochwertiges Eiweiss herstellen – in Form von Milch, Käse und Fleisch.

Aber wir müssen Futter importieren, um all unsere Tiere versorgen zu können.

Der Importanteil beim Futter liegt bei gerade mal 16 Prozent. Das ist ein sehr kleiner Anteil. Im Übrigen stammt das importierte Futter aus nachhaltigem Anbau. Aus diesem Grund darf gesagt werden, dass für Importfutter, welches in der Schweiz verwendet wird, sicherlich kein Regenwald abgeholzt wird.

Sie finden also nicht, dass wir in der Schweiz zu viel Fleisch essen?

Der Fleischkonsum hat sich in den letzten Jahren in der Schweiz stabilisiert und beträgt etwa 52 kg pro Jahr. Früher war der Pro-Kopf-Konsum deutlich höher. Ich finde, wir haben einen vernünftigen Fleischkonsum. Gerade auch im Vergleich mit dem benachbarten Ausland: In Österreich, Italien und Frankreich liegt der Pro-Kopf-Konsum bei über 80 Kilogramm pro Jahr. Und noch etwas.

Bitte.

Fleisch ist ein wichtiger Bestandteil einer gesunden Ernährung. Es enthält Eisen, Zink, Vitamin B12 und viele weitere Nährstoffe, die wichtig für die Entwicklung des menschlichen Körpers sind. Mit einem Konsum von einem Kilogramm Fleisch pro Woche sind wir weit weg von einem Überkonsum. Deshalb wehre ich mich auch gegen dieses unsägliche Fleisch-Bashing.

Ein Expertengremium bestehend aus renommierten Ernährungswissenschaftlern sagt, wir müssen unseren Fleischkonsum bis 2030 um 50 Prozent reduzieren, wenn wir die Nachhaltigkeitsziele der UNO erreichen wollen.

Das ist Unsinn. Pro Kopf verursacht die Schweizer Bevölkerung etwa 13,3 Tonnen Treibhausgasemissionen im Jahr. Diese Emissionen würden sich nur um rund 280 Kilogramm reduzieren, wenn wir uns alle vegetarisch ernähren. Deshalb macht das keinen Sinn. Der Effekt ist also praktisch gleich null. Die grossen Hebel zur Reduktion der globalen Treibhausgasemissionen liegen nicht beim Fleischkonsum der Schweizer Bevölkerung, sondern viel eher beispielsweise bei den rund 250 Kohlekraftwerken in der EU. Es wäre vernünftiger, diese durch andere Technologien zu ersetzen, als uns vorzuschreiben, was wir noch essen dürfen und was nicht.

Ärgern Sie sich über die billigen Fleischimporte?

Nein, ich ärgere mich nicht. Über alle Tiergattungen hinweg decken wir 80 Prozent der Nachfrage mit Schweizer Fleisch. Das ist ein sehr hoher Wert. Er zeigt auch, dass die Herkunft ein wichtiges Kaufkriterium ist. Die restlichen 20 Prozent sind oft Importe von Premium-Produkten, die gar nicht unbedingt günstiger, sondern sogar eher teurer sind als Schweizer Fleisch. Die Konkurrenzierung ist also nur marginal und tiergattungsbezogen.

Und was ist mit der Pouletbrust aus Ungarn oder Slowenien?

Ja, hier gibt es tatsächlich eine Konkurrenz aus dem Ausland, aber wir sind daran, die nachhaltige inländische Produktion zu stärken. Immerhin werden diese Produkte in Europa produziert, dadurch können wir höhere Standards sicherstellen als anderswo auf der Welt.

Was halten Sie von Fleischersatzprodukten?

Wir brauchen diese alternativen Produkte. Sie werden in Zukunft zusammen mit dem Fleisch dafür sorgen, dass wir die Weltbevölkerung mit ausreichend Proteinen versorgen können. Und übrigens: Ich akzeptiere jegliche Ernährungsformen. Wenn sich jemand dafür entscheidet, keine tierischen Produkte oder kein Fleisch zu essen, dann ist das doch völlig in Ordnung. Im Gegenzug finde ich aber, dass auch niemand verurteilt werden soll, nur weil er Fleisch isst.

Die Fleischproduktion ist sehr aufwendig, gerade in der Schweiz mit den vielen Vorschriften. Müsste Fleisch teurer sein?

Das ist eine gute Frage. Für mich ist es wichtig, dass Lebensmittel generell wieder mehr geschätzt werden. Der Name sagt es: Es sind Mittel zum Leben. Man sollte auch mal schauen, was eigentlich alles weggeworfen wird. Das wäre ein wichtiger Ansatz, mehr gegen Foodwaste zu unternehmen. Ziel muss zudem sein, dass wir Lebensmittel in verschiedenen Preiskategorien anbieten können. Ich will, dass auch jemand mit tiefem Einkommen Schweizer Fleisch einkaufen kann. Und noch etwas: Ich wohne im Kanton St.Gallen. Der Einkaufstourismus ist ein riesiges Thema. Wenn wir unsere Lebensmittel verteuern, dann nimmt der Einkauf im Ausland noch stärker zu.