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Das Dilemma zwischen Reiselust und Rücksicht aufs Klima: Als hätte es die Flugscham nie gegeben

Fliegen oder nicht Fliegen? Immer mehr Leute scheinen sich für Ersteres zu entscheiden. Die Flugzeughersteller können sich vor Bestellungen kaum erwehren. 

Die Luftfahrtbranche trumpft wieder auf. Von Corona zu einem Massen-Grounding gezwungen, strotzt sie wieder vor Zuversicht. An der grössten Branchenmesse in Le Bourget bei Paris, der ersten seit dem Pandemie-Einbruch, bestellen Airlines aus Schwellenländern Flugzeuge wie warme Semmeln – die indische Billiglinie IndiGo allein deren 500.

Und die Klimaerwärmung? Wer die Airbus- und Boeing-Manager darauf anspricht, erntet leichtes Hüsteln. Beim europäischen Hersteller Airbus hat man immerhin ein Alibi: In Spanien laufen Tests für ein wasserstoffbetriebenes, also klimaneutrales Mittelstreckenflugzeug. Die Produktion soll 2035 starten. Dummerweise wird sich die Zahl der Grossflugzeugen aber bis 2041 auf über 40000 verdoppeln, wie Airbus und Boeing schätzen. Damit wird die Wasserstofftechnologie nicht Schritt halten.

Die Luftfahrtbranche wird also langfristig nicht weniger CO2 produzieren, sondern mehr. An den Pranger mit ihr? Nein, Hersteller und Airlines antworten nur auf die Publikumsnachfrage. Mit dem schmerzlichen Widerspruch zwischen Rücksicht aufs Klima und Reiselust müssen wir selber leben. Und uns fragen: Sollen wir an Flugscham vergehen, während andere Länder neue Flugzeuge im Hundertpack anschaffen? Sollen wir auf eine Bali-Reise verzichten, während Privatjetbesitzer rücksichtslos um den Planeten kurven? Sollen wir wenigstens Kurzflüge verbieten? Wer eine Antwort weiss, soll vortreten!