Aargauer Gesundheitsinstitutionen beklagen sich über Bürokratie – und warnen vor Unterversorgung
Am 15. Juni letzten Jahres haben die Generalversammlungen des Aargauer Gesundheitsverbands Vaka und des Spitex-Verbands Aargau die Fusion beschlossen. «Damit wurde der schweizweit am breitesten aufgestellte kantonale Gesundheitsverband aus der Taufe gehoben», schreibt Geschäftsführer Urs Schneeberger im Jahresbericht.
Weiter wird dort erwähnt, dass die Regulierungen und die Bürokratie im Gesundheitswesen zugenommen haben – das ärgert den Verband. So schreibt etwa Präsidentin und Mitte-Grossrätin Edith Saner: «Die Institutionen im Gesundheitswesen werden zunehmend mit so unterschiedlichen, komplexen Aufgaben seitens Bund, Kantone, Versicherer, Verbände und Interessengruppen eingedeckt, dass die eigentliche Versorgungsaufgabe Gefahr läuft, auf der Strecke zu bleiben.»
Bund und Kantone würden mit einer Flut von neuen Vorschriften versuchen, die Kosten zu senken, heisst es im Jahresbericht, so etwa mit höheren Anforderungen an die Berufsausübungsbewilligung oder neuen Qualitätsauflagen. «Die Administration verschlingt immer mehr Zeit.» So sei der administrative Aufwand für die Ärzteschaft auf 20 Prozent der täglichen Arbeit gestiegen.
Spitäler müssen Aufgaben in der Grundversorgung übernehmen
Die Politik verkenne, dass nicht die Überversorgung das Problem der Zukunft darstelle, sondern gar eine Unterversorgung. «Die Alterung der Bevölkerung lässt die Nachfrage nach medizinischen Leistungen ansteigen. Gleichzeitig wird es für die Leistungserbringer immer schwieriger, genügend qualifiziertes Fachpersonal zu finden, da auch viel weniger Junge auf die geburtenstarken Jahrgänge folgen.»
Adrian Schmittler, Spartenpräsident Akutspitäler, liefert dazu ein Beispiel: «Durch den Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten sind die Spitäler gezwungen, zunehmend Aufgaben in der Grundversorgung zu übernehmen.» Trotz ansteigendem Patientenstrom würden die Rahmenbedingungen für die Spitäler laufend schlechter.
Auch Michael Ganz, Spartenpräsident Spitex-Organisationen, übt Kritik: Es sei zwar unbestritten, dass das Angebot der Spitex gestärkt werden müsse, jedoch werde die heutige Finanzierung im Aargau diesem Anliegen nicht gerecht. Dies, «weil der Kanton zwar die Steuerung des Spitex-Angebots beibehalten will, nicht aber die Kosten dafür trägt».
Rotzetter: «Entschädigung ist im Aargau tief»
«Damit die Branche ein bedarfsgerechtes und qualitativ hochstehendes Leistungsangebot zur Verfügung stellen kann, müssen die Kosten vollständig gedeckt sein», schreibt Andre Rotzetter, Spartenpräsident Pflegeinstitutionen und Mitte-Grossrat. Dies sei bei den Pflegeleistungen seit langem nicht der Fall. «Die Entschädigung ist im interkantonalen Vergleich enorm tief», so Rotzetter. Es bestehe ein Finanzierungsloch, das ständig grösser werde und inzwischen im dreistelligen Millionenbereich liege. «Auch die Ergänzungsleistungen sind derart tief, dass etlichen Bewohnenden ein Abrutschen in die Sozialhilfe droht.»
Weiter wird im Jahresbericht festgehalten, dass der Bedarf nach psychiatrischen Leistungen seit Beginn der Covid-19-Pandemie zunehme. Die Tendenz zur Verlagerung von stationären zu ambulanten Behandlungen habe sich akzentuiert. «Ambulante Behandlungen sind versorgungspolitisch und volkswirtschaftlich sinnvoll und erwünscht. Umso bedauerlicher ist es, dass gerade in diesem Bereich die ungenügende Abgeltung und steigende administrative Auflagen die Versorgungssituation zusätzlich zum Fachkräftemangel erschweren.»