«Tötet die weissen Bauern!» – 100’000 Menschen bejubeln rassistische Hassbotschaften im Fussballstadion
Schwarzer Anzug, rotes Barett und die Finger zur Pistole geformt. «Schiesst, um zu töten! Tötet den Buren», ruft Julius Malema, von einem Bein auf das andere hüpfend. «Brrrr-pah», schnalzen die Schussgeräusche aus seinem Mund. Und die wogende Menge im Fussballstadion, an die 100’000 seiner politischen Mitstreiter, stimmt mit ein: «Tötet den weissen Bauern!»
In Südafrika ist nach der Feier zum zehnten Gründungsjubiläum der Economic Freedom Fighters (EFF) am vergangenen Wochenende einmal mehr die Debatte um die Zukunft der Vielvölkernation entbrannt. Südafrikas gemässigte Opposition will die Hassbotschaften der Linksradikalen nicht länger hinnehmen – und zieht nun vor die Vereinten Nationen.
«Ein Parlamentsabgeordneter, der die Ermordung eines gesamten Teils der Gesellschaft fordert, ist doch nicht normal. Wir werden Julius Malemas Faschismus frontal entgegentreten», sagte Südafrikas Oppositionsführer John Steenhuisen am Montag. Seine Democratic Alliance (DA), die zweitgrösste Partei des Landes, wirft der EFF knapp dreissig Jahre nach dem Ende der Apartheid erneut rassistische Hetze vor.
Gemeinsam mit Nelson Mandela hätten die Südafrikaner die Versöhnung gewählt und so einen Bürgerkrieg zwischen den Volksgruppen verhindert. «Doch am vergangenen Wochenende erlebten wir die Rückkehr eines Dämons, den wir glaubten, 1994 begraben zu haben», so Steenhuisen.
Schlägerei mit den Parlamentswachen
Abgeordnete in roten Overalls, die mit ihren Gummistiefeln auf den Parlamentsboden stampfen. Ordnungsrufe. Und am Ende eine Schlägerei mit den Parlamentswachen: Seit ihrer Gründung vor zehn Jahren hat die EFF die Art, wie am Kap Politik gemacht wird, neu erfunden. Mit knapp 11 Prozent ist sie Südafrikas drittstärkste Partei – und legt ihre Finger regelmässig in die offenen Wunden des Landes. Etwa fordert Malema die entschädigungslose Enteignung von Land, Banken und Bergwerken.
Vor Gericht musste sich der Politrebell wiederholt für seine Äusserungen gegen die weisse Minderheit verantworten. 2022 urteilte Südafrikas «Gerichtshof für Gleichstellung», dass es sich bei «Kill the Boer» nicht um Volksverhetzung handle. Es sei ein «Befreiungslied, um an die Geschichte von Südafrikas Kampf gegen Kolonialismus und Apartheid zu erinnern», betonte nun EFF-Sprecher Sinawo Tambo.
Dem widerspricht Chris van der Rheede, Geschäftsführer des südafrikanischen Farmerbunds AgriSA: Malema liege falsch, wenn er glaubt, im Land mit der ungerechtesten Einkommensverteilung der Welt wirtschaftliche Emanzipation herbeisingen zu können. Das Gegenteil sei von seiner Hassbotschaft zu erwarten: «Noch mehr Armut, Elend und Hunger.»
Der Partei Nelson Mandelas droht die Abwahl
Und wo ist der regierende African National Congress (ANC) bei der ganzen Saga? Die ehemalige Befreiungsbewegung von Nelson Mandela regiert das Land seit 1994. Im kommenden Frühjahr soll am Kap erneut gewählt werden. Dabei droht der angeschlagenen Partei erstmals in der Geschichte des demokratischen Südafrikas der Verlust der Stimmenmehrheit. Dann müsste die Revolutionspartei in eine Koalition, um weiterregieren zu können.
Seit dem Ende der Rassentrennung ist es den Regierenden gelungen, Millionen Südafrikaner mit Strom und Wasser zu versorgen; Tausende profitierten von staatlichen Gesundheits- und Wohnprogrammen. Trotzdem bestimmen nach wie vor Arbeitslosigkeit, Kriminalität und Not den Alltag: Mehr als die Hälfte der Südafrikaner lebt von weniger als 80 Franken pro Monat.
Nach Überzeugung von Oppositionsführer Steenhuisen habe der ANC nicht nur im Kampf gegen Armut versagt. Auch Nelson Mandelas Traum einer «Regenbogennation» habe er versäumt, Wirklichkeit werden zu lassen. Was Politrevoluzzer Malema angeht, hätten die Regierenden ein Jahrzehnt bloss zugesehen, während dieser das «Volk verhetzt».
Unterstützung erhofft sich Südafrikas liberale Opposition deshalb von den Vereinten Nationen. Am Montag kündigte Steenhuisen an, sowohl gegen Malema als auch den ANC eine Klage vor dem UNO-Menschenrechtsrat einzubringen. Das Genfer Gremium müsse Malemas Aufrufe zur «ethnischen Gewalt» stoppen und den ANC an seine Pflichten erinnern, Minderheiten zu schützen. Malema erklärte in einer ersten Stellungnahme: «Versuch’s doch, kleiner Junge.»