Weniger Fleisch: Verbote brächten den Bund in Teufels Küche – doch wie soll das Ziel erreicht werden?
Das Terrain könnte heikler kaum sein. Rasch wird es emotional, rasch ist ein ungeheuerlicher Verdacht da: Hier will uns jemand vorschreiben, was wir zu essen haben! Wie schnell die Ernährung zum heiss diskutierten Gesprächsstoff wird, zeigte sich beispielsweise, als die Mensa der Uni Luzern sich 2021 dazu entschied, nur noch vegetarische und vegane Menüs anzubieten. Ein medialer Aufschrei war die Folge. Gerade die Diskussion ums Fleisch erhitzt die Gemüter, am Küchentisch ebenso wie in der Politik. SVP-Nationalrat und Fleischfachmann Mike Egger sagte einmal: «Manche sprechen über Fleisch, als wären es Zigaretten.»
In diese heiklen Gefilde wagt sich der Bund mit seiner «Klimastrategie Landwirtschaft und Ernährung 2050». Herausgekommen ist ein Bericht mit einer klaren, wenn auch etwas verklausuliert formulierten Analyse – und einer stattlichen Reihe an eher zaghaften Massnahmen.
Drei Ziele setzt sich der Bund mit der Strategie für 2050. Jenes, das die Konsumentinnen und Konsumenten am stärksten trifft, kommt in zwei Sätzen daher: «Die Bevölkerung ernährt sich gesund und ausgewogen. So verringert sie den Treibhausgas-Fussabdruck der Ernährung pro Kopf um zwei Drittel gegenüber 2020.»
Gesund und ausgewogen: Was heisst das? Hier beginnt das Reden um den heissen Brei – beziehungsweise das saftige Steak. Der Bund möchte, dass sich mehr Menschen gemäss den Empfehlungen der Schweizer Lebensmittelpyramide ernähren, wie es im Bericht heisst. Das bedeutet: deutlich weniger Fleisch, dafür mehr Hülsenfrüchte, Milchprodukte, Früchte und Gemüse. Die angestrebte Reduktion beim Fleisch ist beachtlich: Empfohlen sind zwei bis drei Portionen Fleisch pro Woche à 100 bis 120 Gramm. Gemäss einer Erhebung des Bundes essen wir im Schnitt drei Mal so viel.
Weniger wäre besser für unsere Gesundheit und das Klima, sagt der Bund. Die pflanzliche Produktion sei klimafreundlicher als die tierische. Die Auswirkungen sind beachtlich: Mit einer Ernährung, welche sich an den Empfehlungen der Pyramide ausrichtet, könnte der Treibhausgas-Fussabdruck der Ernährung sowie weitere negative Umweltwirkungen mehr als halbiert werden, heisst es im Bericht. Daher sollen sich «Konsum- und Produktionsmuster» ändern.
Im Klartext: Dem Klima zuliebe sollen wir unsere Ernährung ändern, Bauern und Bäuerinnen sollen weniger Tiere halten und mehr pflanzliche Produkte produzieren.
Wer nun Verbote oder staatliche Umerziehung befürchtet, kann aufatmen. Der Bund will – zu Recht! – niemandem vorschreiben, was er auf den Teller lädt. Auch in Bern weiss man: Jeder Versuch, den Konsum direkt zu steuern, brächte den Bund in Teufels Küche. Stattdessen setzt er auf Information, unter anderem an Schulen.
Insgesamt listet der Bericht 42 Massnahmen für die erste Etappe bis 2030 auf. Das klingt nach viel, allerdings sind nur 17 der Massnahmen neu – und vieles ist vage. Ein Beispiel: Eine Massnahme betrifft den Grenzschutz, bei dem es laut Bericht Anpassungen bräuchte. Doch statt das nun anzupacken, geht es zunächst darum, das System zu analysieren und eine Strategie zur Anpassung zu entwickeln. Ähnlich ist es bei den Direktzahlungen: Eine Änderung wird als notwendig betrachtet, umgesetzt werden soll dies aber erst mit der Weiterentwicklung der Agrarpolitik, die für 2030 angedacht ist. Entscheiden darüber wird das Parlament.
Bei der Produktion hätte die Politik den grössten Hebel, den Wandel herbeizuführen, etwa via Direktzahlungen. Ein Vorgehen mit der Brechstange wäre indes nicht zielführend: Der Bauernverband trifft einen validen Punkt, wenn er betont, die Produktion richte sich nach der Nachfrage. Tatsächlich ist nichts gewonnen, wenn Landwirte Unmengen an Quinoa anpflanzen, den niemand kauft.
Allerdings findet der Wandel – ohne staatliche Lenkung – längst statt: Die Regale mit Ersatzprodukten werden länger und länger, manche essen weniger Fleisch, manche verzichten ganz darauf. Die Politik muss diesen Wandel also längst nicht mehr anstossen. Sie sollte aber die Anreize so setzen, dass er nicht durch Fehlanreize ausgebremst wird. Die Klimastrategie ist daher trotz vager Massnahmen ein erster guter Schritt.