«Tragt Sorge zur Natur»: Früher Umweltschutz im Kanton Aargau
Zu Beginn des Schuljahres 1970/71 ging «Tragt Sorge zur Natur» an alle Aargauer Lehrerinnen und Lehrer sämtlicher Stufen und Fächer, in der Hoffnung «mit diesem Beitrag über das Naturschutzjahr hinaus zu wirken». Federführend waren das Baudepartement, das Erziehungsdepartement und der Aargauische Naturschutzbund. Offenbar überzeugte das Buch, denn die Kantone Schwyz, Luzern und St. Gallen übernahmen es in einer überarbeiteten Form.
Geschrieben wurde «Tragt Sorge zur Natur» vom Natur- und Vogelschutzpionier Ernst Zimmerli (1928-2001) aus Zofingen. Er unterrichtete damals an der örtlichen Bezirksschule Mathematik, Biologie und Geografie und erhielt einen Urlaub, um das Buch verfassen zu können. Zimmerli leitete in Zofingen später das Schweizerische Zentrum für Umwelterziehung des World Wildlife Fund, um danach an der Bezirksschule Rothrist wieder zu unterrichten.
Im Vorwort hielt der frühe Mahner fest «Im Laufe der Geschichte hat sich der Mensch in erschreckendem Ausmass an der Natur vergangen, aus Unkenntnis und Gedankenlosigkeit, aber auch aus Rücksichtslosigkeit und Egoismus. Dem Naturschutz gebührt – als Teil unserer menschlichen Kultur – ein fester Platz in der Bildung. Er ist Ausdruck einer ethischen Gesinnung, zu der wir unsere Nachkommen bewusst erziehen müssen.»
Abfall im Idyll
Herzstück des Buches war ein zwölfteiliger «Jahreskalender des Naturschützers». Für den März arbeitete Ernst Zimmerli mit Kontrasten: «Hinten im Talgrund, zwischen moosüberwachsenen Steinen, dort, wo eine durchlässige über einer wasserdichten Gesteinsschicht lagert, entspringt das Waldbächlein. Kühl und klar, gefiltert und erneuert, tritt das versickerte Regenwasser wieder zutage.
Dem grössten Gefälle gehorchend, bahnt es sich seinen Weg talauswärts. Seitenbäche münden von beiden Seiten in den Hauptlauf und verstärken ihn. Rotgetupfte Forellen schiessen durchs sauerstoffreiche Nass. Larven der Lid- und der Kriebelmücke stemmen sich mit ihren Haftscheiben gegen die reissende Strömung, in die sich die stets muntere Wasseramsel auf der Futtersuche kopfüber hineinstürzt. […]
Der Bach wird zum Fluss. Dorf reiht sich an Dorf, Stadt an Stadt. Immer neue grössere Schmutzwassermengen fliessen dem Wasserlauf zu. Gedankenlose Leute werfen gar Unrat aller Art und Tierkadaver in sein Bett. Das letzte Hochwasser hat eine Auswahl davon auf eine Sandbank geschwemmt: Autopneus, Blechkessel, Büchsen, Plastikdosen, Kanister, Kisten, Harasse, eine stinkende tote Katze.»
Neues vom Autofriedhof
Zum Sommermonat August nahm Ernst Zimmerli den American Way of Life aufs Korn: «Hart an der Landstrasse, in einem von waldigen Hügeln umkränzten, idyllischen Tälchen, scharen sich um eine baufällige Hütte Dutzende von Autowracks, ausgediente Helfer der Menschheit. Hie und da kommt der eine oder andere ausgebaute Ersatzteil zu neuen Ehren. […]
Jedes Fahrzeug hat seine Geschichte. Die eine – die von «Firebird» – wollen wir verfolgen. Einst ein rassiger Achtzylinder der Sportwagenklasse, kauert er bescheiden im Hintergrund, zusammengestaucht, zerbeult, mit zerschlagenen Scheinwerfern und Scheiben. Firebird war der Liebling Bobs. Dieser hiess zwar schlicht Robert Meier, hatte aber eine Vorliebe für alles Amerikanische.
«In» waren für ihn vor allem auch Autos. Er wusste Bescheid über in- und ausländische Kennzeichen, über Typen und Marken, über Zylinderzahl, Hubraum, Pferdestärke, Höchstgeschwindigkeit und Preis. Weniger gut vermochte er einen Spatz von einem Buchfinken zu unterscheiden oder genau zu sagen, woher seine Hauptnahrungsmittel, Brot und Milch, stammten. Doch wozu das? Das war «out».»
Auch die frühe Wegwerfgesellschaft wurde geschildert: «Bob und seine Freunde schätzten Zigaretten, Chewinggum und fliegende Verpflegung. Am Strassenrand verriet eine Spur aus Stummeln, Papier, Plastik- und Kartonpackungen, Büchsen und Flaschen den Verlauf der motorisierten Schnitzeljagd.» Das Anliegen, der Umwelt mehr Sorge zu tragen, erreichte in den folgenden Jahren die Bevölkerung und die Politik.
Aargauer Gemeinden und Regionalverbände planten und bauten erste Abwasserreinigungs- und Kehrichtverbrennungsanlagen. Die Zeit der gemeindeeigenen Schutthalde lief ab. Etwas später setzte die Abfalltrennung mit gesonderten Sammlungen von Papier und Glas ein. Und 1974 goss das Trio Eugster das Umweltthema in den unvergessenen Hit «E suuberi Sach». Dort heisst es im Refrain: «S git kei Dräck und kei Krach und kei Sauordnig meh. Uf de Strass, i de Luft und im See.»