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«Ich bin ein Anti-Promi»: Roger Nordmanns letzte Chance für den Bundesrat

Der Waadtländer SP-Nationalrat Roger Nordmann ist Kandidat Nummer fünf für die Nachfolge von Alain Berset. Er ist ein politisches Schwergewicht - mit einem gewichtigen Nachteil und einer Schwäche, die auch eine Stärke sein kann. 

Keiner spricht in Bundesbern so schnell wie Roger Nordmann. Auch auf Deutsch nicht. Dabei kommt Nordmann aus dem Kanton Waadt, seine Muttersprache ist Französisch. Und das ist alles andere als ein Vorteil.

Denn Roger Nordmann will Bundesrat werden. Das hat er am Mittwoch vor den Medien verkündet. Auf Französisch, auf Deutsch und auf Italienisch. Nicht nur ein Proformasätzli hat er in den jeweiligen Sprachen geliefert, wie es ambitionierte Politiker manchmal tun. Nein, Nordmann spricht drei der vier Landessprachen fliessend. Ja selbst Schweizerdeutsch, wie er in seinem Lebenslauf aufführt.

Alle Deutschschweizer würden ihn auf Deutsch ansprechen. Und das ist auch seine Antwort auf die Frage, ob es denn einen vierten Lateiner im Bundesrat brauche: Nordmann sieht sich nicht als Vertreter einer Region. Sondern als Vertreter der Schweiz. Als Brückenbauer. Doch dazu später.

Seine Bücher prägen Gesetze

Nordmann ist ein politisches Schwergewicht in der SP. Seit 2004 im Nationalrat, acht Jahre lang führte er die Fraktion. Etwas unelegant wurde er im Sommer zum Abgang gedrängt. Die Fraktion präsentierte ihn als Kandidaten für das CS-PUK-Präsidium, weshalb er als Fraktionschef zurücktrete. PUK-Präsident wurde er natürlich nicht, nicht einmal Vizepräsident – die Grünen hatten die SP ausgebootet – doch das Fraktionspräsidium war er los. Es war kein schönes Manöver der SP-Spitze, auch wenn sie Nordmanns Kandidatur für das PUK-Präsidium wie eine Bundesratskandidatur verkündet hatte.

Nordmann arbeitet akribisch – und er prägt Gesetze im Parlament, was nicht alle SP-Bundesratsaspiranten von sich behaupten können. Etwa den Ausstieg aus der Atomenergie. Oder das neue Klimaschutzgesetz. Das Kernelement, die Subventionen für den Ersatz von fossilen Heizungen, kam von Nordmann. Die Idee hatte er ebenso in seinem Buch «Sonne für den Klimaschutz» postuliert wie Teile des neuen Mantelgesetzes, das die Stromversorgung der Schweiz sicherstellen soll. Als die damalige Energieministerin Simonetta Sommaruga an einer SP-Delegiertenversammlung 2019 in Bern sprach, hielt sie das Büchlein in die Höhe. Um zu zeigen, sie wisse, wie sie die Energieversorgung umbauen müsse.

Will die Partei zwei welsche Bundesräte?

Nordmann und die Bücher. Sein letztes Werk publizierte er erst kürzlich. Wieder geht es um den Klimaschutz und Energiesicherheit. Ende Mai sagte er dieser Zeitung: «Ich weiss nicht, ob ich als Bundesrat glücklich geworden wäre. Ich hätte keine Zeit mehr zum Schreiben.» Der Waadtländer sprach, als sei das Kapitel Bundesrat abgeschlossen. Der Rücktritt von Alain Berset war noch nicht bekannt. Und vor allem hat die SP seit Anfang Jahr mit Elisabeth Baume-Schneider eine Westschweizer Bundesrätin.

Will die Partei tatsächlich zwei Romands in der Landesregierung stellen? Hätte die SP ein Problem, wenn sie auf längere Zeit kein Deutschschweizer Aushängeschild im Bundesrat mehr hätte? Diese Frage wird bei der parteiinternen Ausmarchung wohl viel zu reden geben.

Nordmann hat sich tatsächlich gründlich überlegt, ob eine Kandidatur unter diesen Voraussetzungen opportun ist. Doch seine Fraktion hat keine Bedingungen für die Kandidaten diktiert – weder zum Geschlecht, noch zur Herkunft. Und so bekommt der studierte Politikwissenschafter und Ökonom eine letzte Chance, seine politische Laufbahn in Bundesbern zu verlängern.

Der schwierige Abschied von Bundesbern

Denn eigentlich ist 2027 Schluss. Nur wegen einer Spezialregelung darf er überhaupt nochmals für den Nationalrat kandidieren. Ein allerletztes Mal. Seine Ambitionen, in den Ständerat zu wechseln und so der Amtszeitbeschränkung zu entgehen, scheiterten parteiintern gleich zwei Mal. Eine Situation, die nicht leicht für ihn ist: «Es gibt kein Grundrecht auf eine politische Karriere», sagte Nordmann im Mai.

Nun also die letzte Chance. Doch dafür muss er es erst einmal aufs offizielle Bundesratsticket der SP schaffen. Die Konkurrenz ist gross. Derzeit hat er mit Beat Jans, Jon Pult, Daniel Jositsch und Matthias Aebischer vier Konkurrenten. Und ganz Bundesbern rechnet damit, dass auch die Berner Regierungsrätin Evi Allemann nach den Herbstferien ihre Kandidatur bekannt geben wird.

Zeit, um Bücher zu schreiben, hätte Nordmann nicht mehr im Bundesrat; dass er glücklich wäre, glaubt er dennoch. Er habe Lust, zu gestalten, sagt er. Und würde statt Bücher dann halt Gesamtkonzepte schreiben.

Dass sein Lieblingsdepartement, jenes für Umwelt, Energie und Verkehr, bereits von Albert Rösti besetzt ist, ist für Nordmann kein Problem. Er lobt den SVP-Bundesrat für seine Arbeit («Er macht einen ausgezeichneten Job») und versichert, dass er erst in Bern zum Energiepolitiker geworden sei. Zuvor habe er sich mit Finanz- und Bildungspolitik gefasst.

Ein Politiker ohne Berührungsängste

Dass sich Nordmann auch in andere Themen einarbeiten kann, daran zweifelt niemand. Er würde sich wohl genauso akribisch mit dem Gesundheitswesen auseinandersetzen wie er es zuletzt mit der Energiepolitik getan hat.

Es ist denn auch kein Zufall, dass Nordmann an seiner Medienkonferenz nebst den Herausforderungen für das Land über seine Methode gesprochen hat. «Brücken und Lösungen» heisst seine Methode. Er nimmt für sich in Anspruch, ja nennt es gar sein «Markenzeichen», dass er mit anderen politischen Kräften nach Gemeinsamkeiten sucht. Und dass er verstehen wolle, wie andere ein Thema analysieren würden.

Tatsächlich hat Nordmann keine politischen Berührungsängste. Dabei kommt ihm auch ein Charakterzug zugute: Er ist wenig misstrauisch, eher gutgläubig, Die Kehrseite davon ist, dass er andere Menschen und ihre Absichten mehr schlecht als recht lesen kann. Oder wie es ein Fraktionskollege formuliert: Nordmann brilliere nicht gerade mit seiner Sozialkompetenz. Dafür sei er stets ehrlich und direkt, rede nicht um den heissen Brei herum, und sein Ton stimme, er werde nie ausfällig. Nordmann sagte über sich selbst in dieser Zeitung: «Es ist für mich nicht so leicht, mit Menschen in Kontakt zu treten.»

Die Schweiz brauche mehr Tempo

An seiner Medienkonferenz nannte sich Nordmann gar einen «Anti-Promi». Die Inszenierung seines Privatlebens sei nicht seine Sache – um dann doch noch ein paar biografische Angaben zu machen. Nordmann ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Seine Frau ist ebenfalls SP-Politikerin, nämlich Finanzdirektorin der Stadt Lausanne.

Als Bundesrat würde er dafür sorgen, dass die Regierung entschlossener vorangeht. «Die Schweiz ist super integrativ, aber zu langsam», das könne sich das Land nicht mehr leisten. Mehr Tempo. Mehr Beschleunigung. Nordmann macht Politik, wie er spricht.