Ermittlungen in Sachen UBS: So nicht, Uncle Sam!
Haben sich Credit Suisse beziehungsweise UBS eine Verletzung von Russland-Sanktionen zuschulden kommen lassen? Die Frage ist im aktuellen Kontext von grösster Brisanz und schon ein Verdacht kann gravierende Folgen haben. Der Kurseinbruch der UBS-Aktien am Mittwoch vergangener Woche belegt dies deutlicher als alle Worte.
Minuten nachdem die Finanznachrichtenagentur Bloomberg an jenem Mittwoch von einer Untersuchung des amerikanischen Justizministeriums (DoJ) gegen die UBS-Tochter Credit Suisse und gegen UBS berichtet hatte, verloren die Titel der Grossbank mehr als sieben Prozent ihres Wertes. Die Reaktion spiegelt die Angst der Investoren vor drakonischen Strafen der US-Justiz.
Von den gut fünf Milliarden Franken Aktionärswert, den die Episode vernichtet hatte, ist ein grosser Teil bis heute nicht zurückgewonnen. Und dies, obschon die UBS «die jüngste Berichterstattung über eine angebliche Untersuchung durch das US-Justizministerium …» inzwischen als «nicht zutreffend» bezeichnet.
Die Ernsthaftigkeit dieses Dementis hatte CH Media schon am Dienstag in Zweifel gezogen («Schock für die Aktionäre: War es eine Ente?», 3. 10. 2023), zumal die Bank erst drei Tage nach dem Bloomberg-Bericht damit aufgewartet hat.
Am Mittwoch äusserte nun auch «Finanz und Wirtschaft» starke Zweifel an dem «merkwürdigen Dementi von UBS». Die Zeitung fragte bei UBS nach, ob eine Gegendarstellung von Bloomberg verlangt worden sei (was in solchen Fällen üblich ist). Aber die Bank habe die Anfrage unbeantwortet gelassen, konstatierte FuW vielsagend.
Wie es scheint, hat das UBS-Dementi also den Zweck, an der Glaubwürdigkeit des Bloomberg-Berichtes zu rütteln, ohne dessen Inhalte aber mit harten Argumenten entkräften zu können. Bei Lichte besehen kann es in dem Bericht nur einen Abschnitt geben, den aus der Welt zu schaffen sich für die UBS wie auch für das DoJ lohnen könnte.
Bloomberg schreibt über das Vorgehen des DoJ (unter Verweis auf offenbar sehr gute Quellen): «Die Ermittler haben ihre Informationsbegehren direkt bei der UBS platziert, statt diese über die offiziellen diplomatischen Kanäle zu leiten, die langsamer sein können.»
Ein solches Vorgehen der US-Justizbehörde käme einer Verletzung des Staatsvertrages «über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen» gleich, den die Schweiz und die USA vor 50 Jahren beschlossen hatten.
Ein solcher Vertragsbruch wäre nicht nur dreist, sondern vor allem auch unfair. Das DoJ weiss, dass es Schweizer Banken unter dem geltenden Staatsvertrag nicht zwingen darf, Informationen direkt und unter Missachtung des Rechtsweges herauszurücken. Es weiss aber auch, dass sich Banken wie die UBS, die in den USA ein sehr grosses Geschäft betreiben, nur schlecht gegen die Wünsche der dortigen Justizbehörden stellen können.
Mit einem Nachgeben gegenüber dem DoJ riskiert die UBS, sich in der Schweiz strafbar zu machen. Es geht um Tatbestände wie Bankgeheimnisverletzung oder um «verbotene Handlungen für einen fremden Staat». Dass vor diesem Hintergrund weder die UBS noch das DoJ ein Interesse haben, zur Klärung der Hintergründe des mysteriösen Dementis beizutragen, liegt auf der Hand.
Umso mehr sollte sich deshalb die Schweizer Regierung um eine Klärung bemühen. Letztlich geht es um nichts weniger als um die Glaubwürdigkeit des Schweizer Rechtsstaates – ein Wert, notabene, der auch für Unternehmen wie die UBS ein wichtiger Standortfaktor ist. Doch die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass dies geschehen wird. So schreibt das Bundesamt für Justiz auf Anfrage von CH Media: «Das BJ wird nicht aktiv aufgrund von Presseberichten, welche sich auf anonyme, nicht näher identifizierte Quellen, stützen. Solange eine Bank nicht auf das BJ zukommt und eine unzulässige direkte Kontaktaufnahme durch eine ausländische Behörde moniert und diese auch dokumentiert, sieht das BJ keinen Handlungsbedarf.»