Einst belächelt, heute anerkannt: Rotwein aus Oftringen
«Spinnst du eigentlich?», hat Urs Burkhardt einen befreundeten Landschaftsgärtner einst gefragt. Einst, das war 2006, als Burkhardt und seine Lebenspartnerin Cony Frey ihre neue Wohnung am Badiweg 5 bezogen. «Jedes Mal, wenn wir wieder mit einer Zügelkiste über das Land gelaufen sind, hat mir der Landschaftsgärtner gesagt: Urs, hier könnten wir einen Rebberg machen», erinnert sich der 60-Jährige, der als Leiter Verkauf in der Kran- und Transportabteilung eines Oftringer Unternehmens tätig ist. Irgendwann sei ihm dann der Kragen geplatzt und er habe den Kollegen mit den drei deutlichen Worten darauf aufmerksam gemacht, dass er am Zügeln sei und nicht im geringsten über einen Rebberg nachdenke. Dachte Burkhardt damals zumindest. «Denn von diesem Zeitpunkt an habe ich nur noch über einen eigenen Rebberg nachgedacht», sagt er und lacht.
Seine Lebenspartnerin, Kosmetikerin mit eigenem Studio, zeigte sich von der Idee hell begeistert. «Und sie ist es heute noch, arbeitet im Rebberg voll mit», sagt Burkhardt. Auch die Miteigentümer der Terrassenwohnungen am Badiweg liessen sich von der Idee eines Rebbergs auf ihrem Territorium überzeugen. «Eine Win-win-Situation», sagt der Oftringer Winzer dazu. Die Miteigentümer überliessen Burkhardt den steilen Hang, sparten die Gärtnerkosten für dessen Unterhalt ein und erhalten jedes Jahr einige Flaschen Wein. 2008 wurde der Hang mit 265 Rebstöcken bepflanzt. Mit der Ernte von 2011 konnten die ersten Flaschen des Oftringer Rotweins abgefüllt werden, dieses Jahr wurden die Trauben bereits zum 13. Mal gelesen.
Mittlerweile gibt es viel Anerkennung
Weinbau in Oftringen? Das funktioniert nie! So sei der allgemeine Tenor gewesen, sagt Burkhardt zu den Anfängen als Winzer. «Damals wurden wir belächelt, in Winzerkreisen noch viel stärker als von den Anwohnern», erinnert er sich. Doch das hat sich in der Zwischenzeit mehr als erledigt. «An Fachtagungen bin ich nicht mehr der No Name aus Oftringen», sagt Burkhardt und schmunzelt. Im Gegenteil: «Wir erhalten für unseren Wein viel Anerkennung.»
Doch die Anerkennung wollte zuerst verdient sein. «Mit dem leider verstorbenen Dieter Strube, Winzer aus Brittnau mit eigenem Weinberg im Fricktaler Elfingen, hatte ich einen wunderbaren Lehrmeister», betont Burkhardt. Strube plante den Rebberg in Oftringen und half mit, diesen zu realisieren. Er empfahl Burkhardt auch, die Maréchal-Foch-Rebe zu setzen, eine äusserst robuste, früh reifende und resistente Rotweintraube. «Ein Entscheid, der sich als vollständig richtig erwiesen hat», betont Burkhardt, denn als weitgehend pilzwiderstandsfähige Rebsorte reduziert sie die Notwendigkeit von Spritzungen. «Ein schonender Umgang mit der Natur war mir von Beginn an wichtig», führt der Oftringer Winzer aus, der seine Reben nur im Frühling und ein einziges Mal mit einem Kupferpräparat behandelt.
Parallel zu seinen Anfängen im Weinbau absolvierte Burkhardt am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick während zweieinhalb Jahren eine Ausbildung zum Weinbauern, dann auch noch zum Kelterer. Er schmunzelt und erzählt dann eine weitere Anekdote: Sein Lehrer Peter Rey, bis 2017 während 34 Jahren immerhin Rebbaukommissär des Kantons Aargau, habe seiner Klasse gezeigt, wie Rebstöcke zu setzen seien.
Als Greenhorn ohne grosse Erfahrung im Weinbau sei er dann ganz scheu zu Rey gegangen und habe diesem gesagt, dass ihn Strube das Setzen ganz anders gelehrt habe. Rey habe ihn dann aufgefordert, eine Rebe so zu setzen, wie ihm das sein Lehrmeister beigebracht habe. «Du hast recht, das ist viel besser so», antwortete ihm Rey. Darauf trommelte Rey die ganze Klasse zusammen, sagte dieser, sie müssten nochmals von vorne beginnen und liess Burkhardt zeigen, wie Reben zu setzen sind. «Peter Rey hat damals eine unwahrscheinliche Grösse gezeigt», sagt Burkhardt nach den vielen vergangenen Jahren immer noch mit Ehrfurcht und fügt mit Schalk an: «Von da an bin ich nicht mehr so gerne in die Schule gegangen, denn nach jeder Stunde fragte mich Rey: Habe ich heute alles richtig gemacht?»
2023 war ein grossartiges Weinjahr
Doch zurück in die Gegenwart. 2023 wird als sehr gutes Weinjahr in die Geschichte des Oftringer Weinguts eingehen. Der nasse Jahresanfang hat den Reben überhaupt nicht geschadet. Der Wetterumschlag ab Ende Mai, Anfang Juni sei dann ideal für die Reben gewesen. Auch sonst sei das Weinjahr weitgehend problemlos verlaufen. «Es gab nur einmal ganz wenig Hagel, überhaupt keinen Mehltau und auch die Kirschessigfliege war nicht aktiv», sagt Burkhardt.
Bereits Ende September konnten voll ausgereifte Trauben gelesen und nach Zeiningen überführt werden. Dort werden sie im Weinbaubetrieb von Gerhard Wunderlin gekeltert. «Wir dürfen uns auf einen tollen Wein von ausgezeichneter Qualität freuen», ist sich Burkhardt sicher. Und dieses Jahr wird es auch etwas mehr vom «Cinq» – der Wein wurde nach der Hausnummer getauft, an der Cony Frey und Urs Burkhardt wohnen – geben als in einem durchschnittlichen Jahr. Statt 400 werde es wohl etwas über 500 Flaschen Oftringer Wein geben.
Einen zusätzlichen Rebberg angelegt
Und bald ist noch etwas mehr Wein vom Badiweg zu erwarten. Denn dieses Jahr haben Cony Frey und Urs Burkhardt eine zusätzliche Fläche in unmittelbarer Nähe mit Reben bestückt. 295 weitere Maréchal-Foch-Reben haben sie gesetzt. Den Wein aus dem in der Ebene liegenden Landstück werden sie allerdings nicht als «Cinq» verkaufen dürfen. «Die Rebbauverordnung des Kantons lässt das nicht zu», erklärt Burkhardt. Diese schreibe vor, dass nur Rebberge in Hanglage ins Rebbaukataster aufgenommen werden dürfen. Der Oftringer Winzer ist allerdings überzeugt, dass es durchaus auch möglich ist, in der Ebene qualitativ hochwertige Weine erzeugen zu können. «Weil wir unsere Reben nicht in der Reihe, sondern seitlich versetzt gepflanzt haben, werden die Trauben auch genug Sonneneinstrahlung haben, damit sie perfekt ausreifen können», betont Burkhardt.
In etwa zwei Jahren wird man das Resultat, welches der Winzer aus Oftringen zusammen mit seinen fleissigen Helfern in die Flasche bringt, beurteilen können.
Grundsätzlich erhöhe die Klimaerwärmung auf jeden Fall die Chancen, um Weinbau in der Region zu betreiben, ist Burkhardt überzeugt. Weitere Ausbaupläne haben Cony Frey und Urs Burkhardt trotzdem nicht. Ihnen sei zwar ein Rebberg im Oberen Fricktal zum Kauf angeboten worden, doch auf den beiden Parzellen in Oftringen würden sie beide mehr als genug Arbeit sehen.