EVP Aargau scheitert wegen 1000 Stimmen: Die Partei verliert ihre einzige Stimme in Bern
Die Hoffnung im Bullingerhaus in Aarau starb kurz nach 16.30 Uhr. Es hat nicht gereicht für Lilian Studer. Sie verliert ihren Sitz im Nationalrat, in den sie 2019 gewählt worden ist. Damals kam ihr die Listenverbindung mit der BDP zugute, diesmal war das Zusammengehen mit der Mitte nicht so gewinnbringend. Der grosse Partner hat geschwächelt und die EVP damit das Mitte-Restmandat verloren, welches am Sonntagnachmittag lange Zeit noch durchaus im Bereich des Möglichen gelegen hatte.
«Ja, es ist definitiv», verkündete Lilian Studer den Mandatsverlust vor der EVP-Gemeinde persönlich, nachdem sie zuvor mit dem Co-Präsidium der Partei – Therese Dietiker und Roland Frauchiger waren zu jenem Zeitpunkt im Grossratsgebäude – telefoniert hatte.
Studer wirkte gefasst. Es war ihr jedoch anzumerken, dass ihr die Nicht-Wiederwahl weh tat. Nicht, weil sie jetzt vorübergehend arbeitslos wird. Und auch nicht, weil sie an Reputation einbüsst. Sondern, weil «ihre» Aargauer EVP, für die sie seit Jahrzehnten erfolgreich politisiert, in Bern die Stimme verliert.
Sitzverlust trotz steigendem Wähleranteil
«Nur 0,05 Prozent haben uns gefehlt, kantonsweit sind das 1000 Stimmen oder 70 fehlende EVP-Listen», hatten fixe Rechner nach der Bekanntgabe des Endresultats herausgefunden. «Wir haben einen starken Wahlkampf gemacht und mit 0,81 Prozent Zuwachs beim Wähleranteil ein Super-Resultat eingefahren», konstatierte die (noch) amtierende Nationalrätin und schob nach: «Auch wenn wir unseren Sitz nicht haben verteidigen können, dürfen wir hocherhobenen Hauptes aus dem Wahlkampf schreiten.»
Sie dankte allen, die sich im Wahlkampf für sie und die EVP engagiert hätten: «Ihr habt mich durch eine Zeit getragen, die für mich nicht ganz einfach gewesen ist.» Leider, fuhr sie fort, komme das Ende ihrer politischen Karriere jetzt abrupt: «Ich hätte gerne selber bestimmt, wann ich von der Bühne abtrete», sagte sie.
«Es könnte reichen. Wenn der Mitte-Block drei Sitze holt, dann haben wir gute Aussichten auf das Restmandat», hatten sich Co-Präsident Roland Frauchiger und Vizepräsident Peter Rytz kurz nach 14 Uhr noch zuversichtlich gezeigt. Tatsächlich sah es für die EVP kantonsweit recht gut aus.
Über Stunden gehofft und gebangt
Um 14.30 Uhr kam Lilian Studer ins Bullingerhaus. «Der Sitz ist weg, wenn alles klar ist», kommentierte sie erste Medienberichte über einen Sitzgewinn der SVP auf Kosten ihrer Partei. Und versuchte, gelassen zu wirken. Auch Berta Hübscher, EVP-Urgestein aus Wohlen und mit 76 Jahren älteste Nationalratskandidatin im Freiamt, verbreitete gute Stimmung. Wie schon so oft an EVP-Anlässen sorgte sie am Wahlsonntag im Bullingerhaus für die Verpflegung.
Die Zeit verging mit Hoffen und Bangen: «Das cha no länge», machten die Anwesenden sich und – vor allem Lilian Studer – immer wieder Mut. Lilian Studer war mal da mal dort, plauderte mit Parteifreundinnen und -Freunden und zog sich ab und zu auch in eine stille Ecke zurück. Die Sorgenfalten, die sich auf ihrem Gesicht bildeten, wenn sie dabei auf das Display ihres Handys guckte, liessen erahnen, wie angespannt sie war.
«Schade, einfach schade», zog Vizepräsident Peter Rytz nach dem Vorliegen des definitiven Resultats ein erstes Fazit: «Die Zunahme an Wählerstimmen zeigt, dass wir eine zuverlässige Wählerschaft im Rücken haben. Trotzdem hat es nicht gereicht.» Das, fuhr er fort, sei nicht nur tragisch für Lilian Studer, sondern auch schlecht für die Partei: «Wir haben gespürt, dass wir als EVP mit einer Vertretung im Nationalrat für die Aargauer Bevölkerung sichtbarer geworden sind.»