«Es wird knapp»: Gallati warnt vor Gegenkandidatin Binder – und ruft zur Mobilisierung auf
«Wenn wir abgeschifft wären bei den Wahlen, würde ich heute zum letzten Mal als Präsident vor Ihnen stehen», sagte Andreas Glarner am SVP-Parteitag am Mittwochabend in Boswil. Doch die Volkspartei hat am Wahlsonntag im Aargau fast vier Prozentpunkte zugelegt und den 2019 verlorenen siebten Sitz im Nationalrat zurückgeholt. «Jetzt müssen Sie mich halt noch ein bisschen erdulden», fügte Glarner mit Blick auf den Wahlsieg halb scherzhaft dazu.
Es sei Zeit, sich zu freuen, aber auch demütig zu sein, hielt der SVP-Kantonalpräsident fest. Und er erinnerte an den Spruch: Siege, aber triumphiere nicht. Der Erfolg der Partei habe viele Väter, sagte Glarner und nannte stellvertretend die Junge SVP, die einen Wähleranteil von fast 1 Prozent erzielt habe. Es sei sensationell, wie aktiv die Jungen gewesen seien.
Die Mobilisierung der Wähler sei gelungen, sagte Glarner, doch man müsse sich überlegen, wie man es schaffe, dass Wahlkampfanlässe nicht fast nur von Parteimitgliedern besucht würden. Glarner mahnte auch, der Wahlerfolg bringe eine grosse Verantwortung. «Wir müssen Sorgen und Nöte der Leute aufnehmen, die SVP muss sozialer werden, mehr an die Leute denken, die an der Werkbank stehen.» Ganz wichtig ist laut Glarner: «Wir müssen umsetzen, was wir versprechen.»
«Es gilt, den Sitz im Ständerat zu verteidigen»
Mit dem Wahlsieg im Nationalrat hat die SVP Aargau aber erst eines ihrer Ziele erreicht. Und so sagte Glarner denn auch mit Blick auf den zweiten Wahlgang: «Es gilt, den Sitz im Ständerat zu verteidigen.» Dafür nominierten die Frauen und Mannen im Löwen-Saal einstimmig Benjamin Giezendanner, der im ersten Wahlgang hinter dem wiedergewählten FDP-Ständerat Thierry Burkart das zweitbeste Ergebnis erzielt hatte. Gegenkandidatin Marianne Binder (Mitte) sei von den Linken gekapert worden, rief Glarner in den Saal: «Sie ist in Geiselhaft und wird immer links stimmen.» Der SVP-Präsident spielte damit auf die Unterstützung von SP, Grünen, GLP und EVP für Binder an.
Dass Benjamin Giezendanner von der Gegnerschaft als rechtskonservativ bezeichnet werde, sieht Glarner als Kompliment. Der SVP-Kandidat sei verheiratet und habe eine Familie, stehe am Morgen auf und gehe arbeiten, geben Angestellten einen Job und Lohn, sei solid, pflichtbewusst und unbeugsam. «Er ist unser Mann fürs Stöckli», rief Glarner, bevor er den Freisinnigen dankte. Die FDP-Leitung teilte am Mittwoch mit, dass sie Giezendanner unterstützt, am Donnerstag soll dies der Parteitag beschliessen.
Giezendanner spricht vom feministischen Orkan
Der Ständeratskandidat selber sagte, nach seinem guten Resultat am Sonntag sei der zuvor eher laue Wahlkampf schlagartig zu einem feministischen Orkan geworden. «Alle gegen Giezendanner, das war das neue Motto der Mitkandidatinnen», blickte er auf die letzten Tage zurück. Er sagte habe in den Spiegel schauen müssen, «ob dort ein alter, grauer, weisser Mann steht, der eine junge, dynamische Frau auf dem Weg nach Bern verhindern will.»
Damit spielte er auf Binders Alter an – und legte gleich nach, er werde keine Politattrappe sein, die sich mal links, mal rechts ausrichte. Auf der Leinwand liess er ein Plakat mit dem Slogan einblenden: «Die links-grüne Elite sagt: Benjamin darf auf keinen Fall in den Ständerat – aber Du entscheidest»
Schliesslich ergriff Landammann Jean-Pierre Gallati das Wort und rief die SVPler auf, für den zweiten Wahlgang alles zu mobilisieren, was möglich sei. Benjamin Giezendanner sei ein Top-Kandidat, die Partei könne froh sein, dass sie ihn habe. «Aber es wird knapp, die Gegenkandidatin ist eine bekannte, gute und aktive Politikerin», hielt Gallati fest.
Er weiss aus eigener Erfahrung, wie eng solche Wahlen sein können. 2019 holte Gallati den Regierungssitz im zweiten Wahlgang mit lediglich 1593 Stimmen Vorsprung auf Yvonne Feri (SP). «Deshalb müssen wir am 19. November alle hinter dem Ofen hervorholen», rief der Landammann in den Saal.