«Ein wenig Getüftel ist dabei»: Mit seinem Stück entdeckt Zirkusmacher Roman Müller die Alte Reithalle neu
Nicht jeder Zirkus braucht ein Zelt. So wie Roman Müller, Leiter des Cirqu’-Festivals, Zirkus versteht, erst recht nicht. Während seines Festivals in Aarau bespielen Artistinnen und Artisten ungewohnte Räume, sie bauen ihre eigenen Bühnen oder turnen durch die Stadt. Nun kehrt Müller zu seinen Wurzeln zurück. Als Jongleur und Diabolo-Künstler trat er international auf, wurde mit Preisen ausgezeichnet. Der Wohler Circus Monti, wo er anfangs seiner Karriere eine Saison lang jonglierte, blieb sein einziges Engagement im traditionellen Zirkus.
Auch bei seinem neusten Stück interessiert ihn die klassische Manege nicht. Selbst die Bühne ist ihm nicht genug. Zusammen mit seinem Namensvetter Jörg Müller nimmt er mit «OIxIO» die gesamte Alte Reithalle in Beschlag. Das Publikum schicken sie dabei selbst auf Entdeckungsreise, erzählt Müller: «Es ist ein bisschen wie im Museum, man läuft von Werk zu Werk, man sucht sich seinen Blickwinkel selber, kann ganze nahe ran, oder aus der Ferne schauen.» Einen «zirzensischen Spaziergang» nennt er das Programm.
Fasziniert von der Bewegung
Was darunter zu verstehen ist, verrät der Titel zumindest auf den ersten Blick nicht. «OIxIO» liest sich wie ein Code. Roman Müller schlüsselt auf, die Buchstabenfolge sei bildlich zu verstehen: «Aus linearen Bewegungen werden kreisende Bewegungen und umgekehrt. Quer im Raum verteilt sind sich kreuzende Seilzüge.» Die beiden Jongleure sind fasziniert von allem, was sich bewegt.
Für ihr Stück bauen sie eine Konstruktion aus verschiedenen Objekten wie Besen oder einem Schlagzeugbecken. Ein Zupfen hier, ein Stubser da, versetzt das Ganze in Bewegung. «Etwas Getüftel ist sicher dabei, denn auch Jörg ist sehr tüftlerisch, ein ewig Suchender», sagt Müller. Das Arrangement ist eigens für die Räume der Alten Reithalle zusammengestellt.
Ein Programm mit Spiel- und Entdeckungsfreude
Warum der Zirkus ins Theater gehört, fragen wir den Festivalleiter. Dieser winkt ab: «Warum sollte er nicht? Ich denke darüber nicht mehr nach, weil ich das seit 30 Jahren erlebe und es für mich somit völlig normal ist.» So war er bereits 2013 und 2014 mit seinen Kreationen «ArbeiT» und «Le Cercle» in der Alten Reithalle zu Gast. Seither hat sich die Halle stark verändert, von der Zwischennutzung wurde sie zur Baustelle und nun zum gesetzten Mehrspartenhaus.
Dieser Umbau mache vieles erst möglich, so Müller. Ausgereizt hat er diese Möglichkeiten mit dem «Cirqu’», das im Juni erstmals in der Halle stattfand. «Wir waren im Vorfeld schon etwas nervös», sagt Müller, «wir konnten nicht auf bereits gemachte Erfahrungen aufbauen.» Das Experimentieren oder eben das Tüfteln gehört zu Roman Müllers Kunstverständnis. So habe die Alte Reithalle durch den Umbau eine gewisse Freiheit eingebüsst. «Jetzt ist der Raum viel definierter, da ist die Bühne, dort Zuschauerraum, hier das Foyer …», sagt Müller und lädt mit seinem Stück dazu ein, diese Hierarchisierung zu überdenken: «Mit OIxIO berücksichtigen wir das alles nicht.»