Gewalttäter und Häftling Amin T. haute in Crocs ab – jetzt zeigt er sich im Internet
Im Herbst 2022 hatte Amin T. (Name geändert) im Gefängnis im Amtshaus Aarau «bei einer Auseinandersetzung einen Mithäftling erheblich verletzt». Der tunesische Asylbewerber hätte die Schweiz schon seit 2014 verlassen müssen. Zuvor sass er wegen Gewaltdelikten 27 Monate hinter Gittern. Am 4. Oktober 2022 gelang ihm bei einem Gefangentransport die Flucht.
Die Polizei sucht ihn weiterhin. Inzwischen scheint der Tunesier ein glückliches Leben in Frankreich zu führen – und teils auch weiter in der Schweiz. Das zeigen Blick-Recherchen.
Wenige Monate nach der Flucht habe er regelmässig Bilder und Videos in den sozialen Medien veröffentlicht. Unter anderem vor dem Eiffelturm in Paris oder in Partylaune mit seinen Freunden. Auf einem Bild wird ein grosser Berg mit Euro-Bündeln präsentiert – unklar ist es noch, wem das Geld gehört.
Amin T. habe seine Ex-Frau gedroht
In einem Video habe Amin T. einen Tisch gefilmt, auf dem ein Messer neben Drogen-Portionen liegt. Aufnahmen vom 24. Oktober 2023 zeigen ihn neben einem Fahrzeug mit AG-Kennzeichnen. Im Video gestikuliert er mit beiden Mittelfingern und zeigt auf den Boden.
Dies alles sind Seitenhiebe an die Schweizer Behörden, von denen Amin T. zweimal verurteil wurde und einen Landesverweis erhielt. Und an die vier Opfer, die er attackierte. Darunter seine Ex-Frau (35), die mit den drei gemeinsamen Kindern seit über zehn Jahren im gleichen Zimmer in einer Asylunterkunft im Aargau lebe. Sie habe gegenüber Blick die neusten Recherchen bestätigt, möchte sich im Moment aber nicht äussern.
Die Vorgeschichte
- 15. Januar 2014: Das Staatssekretariat für Migration (SEM) weist den Tunesier, der später als Amin T. bekannt wurde, zusammen mit seiner Frau im Asylverfahren dem Kanton Aargau zu.
- 15. Mai 2014: Genau vier Monate später lehnt das SEM das Asylgesuch des Ehepaars ab und weist es aus der Schweiz weg.
- 16. Juli 2014: Das Bundesverwaltungsgericht tritt nicht auf eine Beschwerde des Ehepaars gegen die Wegweisung ein. Dem Ehepaar wurde eine Ausreisefrist bis zum 12. September 2014 gewährt.
- Herbst 2014: Da die Ehefrau des Tunesiers zu diesem Zeitpunkt das erste Kind erwartete, verlängerte das SEM auf Gesuch des Ehepaars hin die Ausreisefrist auf rund zwei Wochen nach dem erwarteten Geburtstermin, bis zum 12. Dezember 2014.
- 5. Dezember 2014: Das erste Kind des Ehepaars kommt zur Welt, die Familie reist aber weiterhin nicht aus. (fh)
Eine Freundin von ihr sagt gegenüber Blick: «Er hat sie seit seiner Flucht schon mehrfach telefonisch bedroht. Sie hat grosse Angst, dass er bei ihr auftaucht. Würde sie mit ihren Kindern nach Tunesien abgeschoben, müsste sie mit ihrem Tod rechnen.» Die Ex von T. wünsche sich eine eigene kleine Wohnung in der Schweiz, wo sie nicht gefunden wird. Doch die Behörden hätten ihr eine solche nicht geben können. Sie müsse nun auf den Entscheid aus Strassburg warten.
Ist der Tunesier, der seit 2014 illegal in der Schweiz lebte, straffällig wurde und erst 2019 in Haft genommen wurde, tatsächlich noch nicht gefasst? «Ja, dieser Mann wird immer noch gesucht und ist international ausgeschrieben», bestätigt Adrian Bieri von der Kantonspolizei Aargau gegenüber Blick.
Polizei kann «aus ermittlungstaktischen Gründen» nichts sagen
Zu den Hinweisen, dass sich der Gesuchte in Frankreich oder teils gar wieder in der Schweiz aufhalten könnte, kann die Polizei «aus ermittlungstaktischen Gründen» nichts sagen. Das gilt auch für die Frage, ob die Polizei bereits wisse, dass der Flüchtige in den sozialen Medien Hinweise auf seinen Aufenthaltsort gibt.
Was passiert, wenn ein Hinweis zu seinem Aufenthaltsort hereinkommt? «Jede Meldung wird zuerst geprüft, ob sie überhaupt stimmen kann», erklärt der Kapo-Mediensprecher weiter. «Falls ja, wird dem Hinweis umgehend nachgegangen und allenfalls eine Patrouille vor Ort geschickt.»
Dies wäre auch der Fall, wenn sich der Gesuchte im Ausland aufhält. «In dem Fall werden wir, falls der Hinweis seriös ist, umgehend unsere Berufskollegen im Ausland informieren.» Die würden dann ebenfalls abklären, ob zum Beispiel der Hinweis auf eine Adresse stimmen kann. Dann werde auch dort ausgerückt und die Meldung überprüft.
Bieri: «Wenn es dringend ist, kann das sehr schnell gehen. Ansonsten muss natürlich auch ein Rechtshilfegesuch an die Behörden im Ausland gestellt werden.» In diesem könnte die Staatsanwaltschaft auch verlangen, dass die Polizei im Ausland sein Handy ortet, um ihn allenfalls dort festnehmen zu lassen.
Staatssekretariat für Migration äussert sich nicht
Blick hätte gerne Antworten auf Fragen zu T., seiner Ex-Frau und ihren drei Kindern gehabt. Dazu sagt Reto Kormann vom Staatssekretariat für Migration SEM in Bern: «Aus Daten- und Persönlichkeitsschutzgründen äussern wir uns zu Einzelfällen nicht.» Amin T. selber habe auf eine Interview-Anfrage von Blick bisher nicht reagiert. (AZ)