«Stimme der Übersehenen» – Ex-First Lady Rosalynn Carter ist gestorben
Sie war eine Wohltäterin und gab Menschen eine Stimme, die oft nicht gehört werden: Nun ist die ehemalige US-First Lady Rosalynn Carter tot. Die 96 Jahre alte Ehefrau des früheren Präsidenten Jimmy Carter sei am Sonntagnachmittag (Ortszeit) in ihrem Heimatort Plains im US-Bundesstaat Georgia «friedlich im Kreise der Familie» gestorben, teilte eine von den Carters gegründete Stiftung mit. Der 99 Jahre alte Jimmy Carter würdigte seine Ehefrau mit bewegenden Worten. «Rosalynn war meine gleichberechtigte Partnerin bei allem, was ich je erreicht habe», zitierte ihn die Stiftung. «Solange Rosalynn auf der Welt war, wusste ich immer, dass mich jemand liebte und unterstützte.»
Rosalynn Carters Gesundheitszustand hatte sich in den vergangenen Monaten rapide verschlechtert. Im Mai war öffentlich geworden, dass sie an Demenz erkrankt war. Die Carter-Stiftung teilte erst am vergangenen Freitag mit, dass die 96-Jährige palliativ zu Hause betreut werde. Auch Jimmy Carter befindet sich seit Mitte Februar zu Hause in palliativer Betreuung im Kreise seiner Familie. Er kämpft bereits seit einigen Jahren mit gesundheitlichen Problemen und unternimmt nach einer Serie von Krankenhausaufenthalten keine weiteren medizinischen Schritte mehr.
Rosalynn und Jimmy Carter haben 1946 geheiratet – das Paar hat vier Kinder und elf Enkelkinder. Die ehemalige First Lady machte sich Zeit ihres Leben für soziale Belange stark und verfasste mehrere Bücher. Sie soll während der Präsidentschaft ihres Ehemanns erheblichen Einfluss auf die Politik im Weissen Haus gehabt haben. Der demokratische Politiker aus dem Bundesstaat Georgia im Süden der USA war von 1977 bis 1981 US-Präsident, bis er von dem Republikaner Ronald Reagan abgelöst wurde. Er ist der älteste noch lebende frühere US-Präsident.
Rosalynn Carter wurde 1927 als Eleanor Rosalynn Smith in Plains geboren, einem kleinen ländlich geprägten Ort in Georgia. Ähnlich wie Jimmy Carter stammt sie aus bescheidenen Verhältnissen. Ihr Vater starb an Krebs, als sie noch ein Kind war, ihre Mutter ernährte als Schneiderin die Familie. 1945 traf sie ihren künftigen Ehemann Jimmy Carter – bald darauf heirateten die beiden. Später arbeitete Rosalynn Carter im Erdnussbetrieb der Carters. Als Jimmy Carter seine politische Karriere begann, unterstützte sie ihn. «Wahlkampf machte Spass. Ich durfte reisen und habe das ganze Land gesehen», sagte sie einst.
Das Paar wurde in der US-Hauptstadt Washington wegen seiner verhältnismässig einfachen Wurzeln auf dem Land zunächst mit Skepsis betrachtet. Beobachtern zufolge hat Rosalynn Carter die Rolle der First Lady in den USA bedeutend geprägt. Ihren Ehemann begleitete sie auf vielen internationalen Reisen und war auch bei wichtigen Terminen des damaligen Präsidenten dabei. «Sie war weithin für ihren politischen Scharfsinn bekannt und wurde vor allem für ihr feines Gespür bei Wahlen, ihre Bodenständigkeit und ihre Arbeit für das Weisse Haus gelobt, unter anderem als Gesandte für Lateinamerika», schrieb der US-Sender CBS über die ehemalige First Lady.
Später engagierte sich vor allem im Bereich mentale Gesundheit und machte das Thema zu einer Herzensangelegenheit. Sie gilt als Vorreiterin im Kampf für bessere Behandlung. Dabei bemühte sie sich auch, die Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen abzubauen. «Sie wird nicht nur von unserer Familie schmerzlich vermisst werden, sondern auch von den vielen Menschen, die heute eine bessere psychiatrische Versorgung und Zugang zu Ressourcen für die Pflege haben», reagierte ihr Sohn Chip auf den Tod seiner Mutter.
Gemeinsam mit ihrem Ehemann gründete sie 1982 das Carter Center, eine Stiftung, die sich weltweit für die Förderung von Demokratie, Menschenrechten und wirtschaftlicher Entwicklung besonders ärmerer Länder stark macht. Im Jahr 1999 erhielt Rosalynn Carter die Freiheitsmedaille des Präsidenten, eine der höchsten zivilen Auszeichnungen.
US-Präsident Joe Biden und seine Ehefrau Jill würdigten Carter als eine Frau, die «ihren eigenen Weg» ging und dabei eine ganze Nation und die Welt inspiriert habe. Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton und seine Ehefrau Hillary, einst US-Aussenministerin, nannten Rosalynn Carter eine «unerschütterliche Stimme für die Übersehenen und Unterrepräsentierten». Sie werde «für immer als die Verkörperung eines sinnstiftenden Lebens in Erinnerung bleiben».
Die ehemalige First Lady Michelle Obama schrieb: «Als unsere Familie im Weissen Haus lebte, kam Rosalynn ab und zu zum Mittagessen, gab mir ein paar Ratschläge und reichte mir immer – immer – eine helfende Hand.» Ihr Mann und Ex-Präsident Barack Obama schrieb auf der Plattform X: «Das Leben von Rosalynn Carter erinnert uns daran, dass unser Vermächtnis sich nicht an Preisen und Auszeichnungen messen lässt, sondern am besten an den Leben, die wir berühren.» Vize-Präsidentin Kamala Harris lobte auf X ebenfalls das soziale und politische Engagement Carters. Als Philanthropin, Dienerin des öffentlichen Lebens und globale Führungspersönlichkeit, habe Rosalynn Carter «das Leben von Millionen von Menschen verbessert».
Die Carters waren 77 Jahre lang verheiratet und galten als eng vertrautes Paar, das sich innig liebte. Im September überraschten die beiden dann mit einem öffentlichen Auftritt bei einer Erdnussparade in Plains. Das Paar zeigte sich – von Krankheit gezeichnet – in einer dunklen Limousine, die durch den kleinen Ort fuhr. Als Jimmy Carter 2002 den Friedensnobelpreis bekam, wurde er gefragt, was aufregender gewesen sei: der Friedensnobelpreis oder die Ernennung zum Präsidenten? Carter antwortete: «Als Rosalynn sagte, dass sie mich heiraten würde – ich glaube, das war das Aufregendste.» (dpa)