Gerhard Pfister hat gute Chancen, Bundesrat zu werden – aber noch nicht jetzt
Für all jene, welche die Schweizer Politik schon länger verfolgen, ist er kaum mehr wiederzuerkennen. Vor 20 Jahren, als Gerhard Pfister erstmals im Nationalrat Platz nahm, stand der Zuger ganz am rechten Rand seiner damaligen CVP.
Ein Tiefsteuerpolitiker alten Schrot und Korns, christliche Werte verteidigend, den politischen Gegner ausschliesslich auf der Linken verordnend.
Pfister, ein lupenreiner Rechter, sauber eingereiht in einem bürgerlichen Lager, das mit dem Aufstieg der SVP neu von Christoph Blocher angeführt wurde.
20 Jahre später sagt Pfister, dessen Mitte soeben siegreich aus den Wahlen hervorgegangen ist, Sätze wie diese: «Christoph Blocher hat den Bürgerblock gesprengt.» Seine Partei sei nur noch als Wasserträgerin für rechtsbürgerliche Anliegen gefragt. Da mache er nicht mit. Die Mitte als eigenständige Kraft, je nach Sachfrage oszillierend zwischen links und rechts, mit einem eigenen Kompass versehen. Das ist seine «idée fixe», die er beharrlich verfolgt.
Dass Pfister an der Entwicklung eines dritten politischen Lagers zwischen rot-grün und rechts tüftelt, ist schon länger ruchbar. Doch noch nie hat sich der Parteichef so deutlich von den einstigen bürgerlichen Kumpanen aus FDP und SVP abgegrenzt wie in diesem Interview Anfang Woche mit der «NZZ».
Das ist natürlich kein Zufall. Nachdem die SVP sämtliche zweiten Wahlgänge in den Ständerat gegen eine erstaunlich gut harmonierende Mitte-links-Koalition verloren hat, hält er den Zeitpunkt für gekommen, seine Analyse zu teilen. FDP und SVP, die einstigen Partner, seien rechts, Schwestern im Geiste, die mittelfristig keinen Anspruch auf die Mehrheit im Bundesrat haben. Die politische Mitte hingegen, unter Anführung der Mitte-Partei notabene, werde den zweiten Sitz in der Landesregierung zum gegebenen Zeitpunkt einfordern. Nicht mit einem klandestin vorbereiteten Abwahlcoup am kommenden 13. Dezember, Tag der Bundesratswahl. Sondern mit einer von langer Hand geplanten Wachablösung anlässlich des Rücktritts einer FDP-Magistratsperson.
Pfisters Griff nach der Macht, sein parteipolitisches Gesellenstück, ist noch lange nicht in trockenen Tüchern. Da sind zum einen die Wahlresultate, die weiterhin stimmen müssen. Rückschläge untergraben den Machtanspruch und stärken die Fliehkräfte, die es in der heterogenen Mitte immer noch gibt.
Zum andern hat Pfister interne Widersacher, die er im Auge behalten muss. Namentlich Bauernchef Markus Ritter, Lenker und Denker der «Geld-und-Gülle-Allianz» zwischen Bauern und Wirtschaftsverbänden, hält wenig von Pfisters Theorie der dritten Kraft. Sein Kalkül ist ein anderes. Das bürgerliche Lager soll gestärkt, Sitzverschiebungen im Bundesrat allenfalls konsensual angestrebt, primär der politische Gegner auf der Linken bekämpft werden.
Alte Seilschaften oder dritte Kraft? Die erste Machtprobe zwischen Ritter und Pfister spielt sich im Kanton St.Gallen ab. Dort wird im März eine neue Kantonsregierung gewählt. Die SVP sucht einen bürgerlichen Schulterschluss – gegen die SP, der man einen Sitz abluchsen will. Ihr Freund und Helfer: Markus Ritter. Doch eine Allianz mit Esther Friedlis SVP widerspricht Pfisters Masterplan.
Pfister übernahm 2016, nach Jahren des Niedergangs, als Mann der letzten Hoffnung die damalige CVP. Er fusionierte sie mit der BDP und gab dem Konstrukt eine neue Identität. Jetzt redet Pfister von der dritten Kraft, kanzelt die FDP als Juniorpartnerin der SVP ab – und verhilft SP- und GLP-Kandidatinnen zur Wahl in den Ständerat.
Wann das alles aufgeht, kann der Kampfkandidat der Mitte für den Bundesrat eigentlich nur Gerhard Pfister heissen. Der 61-Jährige ist zwar nicht mehr der Jüngste, dafür ohne Zweifel einer der fähigsten Politiker im Bundeshaus.
Zuerst jetzt aber die Bundesratswahl. Alles ruhig, alles gesittet. Ganz so, wie es sein Drehbuch vorsieht.