Missbrauchsvorwürfe gegen Ex-Bischof von Freiburg – Nachfolger ruft Zeugen auf, sich zu melden
«Wenn Sie etwas wissen, wenden Sie sich bitte an die Polizei.» Diese für einen Bischof seltenen Worte richtete Charles Morerod am Montag vor den Medien an mögliche weitere Opfer in seinem Bistum, die von seinem Vorgänger Bernard Genoud (1942–2010) sexuell belästigt worden waren.
Hintergrund der kurzfristig einberufenen Medienkonferenz und des ungewöhnlichen Zeugenaufrufs ist ein Gespräch vom 1. Dezember. Dabei habe er von einer Frau erfahren, dass diese vor rund drei Jahrzehnten als Volljährige von seinem Vorgänger an der Spitze der Diözese als Schülerin sexuell belästigt worden war, sagte Morerod. Die Frau habe ihn dabei auch gebeten, anonym zu bleiben. Und so bat er auch die Medien, diesen Wunsch zu respektieren.
Die junge Frau war zur Zeit des mutmasslichen sexuellen Übergriffs am Collège du Sud in Bulle, wo auch Genoud als Priester tätigt war. Erschwerend kam laut dem aktuellen Bischof von Freiburg hinzu, dass dieser mit ihren Eltern befreundet war. In diesem «Kontext von Einflussnahme und Abhängigkeit» habe die damals junge Frau gegenüber Morerod ausgesagt, «wiederholt sexuellen Handlungen mit dem damaligen Priester und Lehrer» erlitten zu haben.
«Leiden der Opfer nicht unbeantwortet lassen»
«Bischof Genoud ist nicht mehr hier, um sich zu erklären», schreibt die Diözese Lausanne, Genf und Freiburg in einer Mitteilung vom Montag. «Aber es ist Aufgabe der Kirche, das Leiden der Opfer nicht unbeantwortet zu lassen.»
Die Person, die Bischof Morerod Anfang Monat anhörte, habe «enorm unter dem jahrelangen Schweigen» gelitten. Da es auch möglich sei, dass andere Personen «unter der Last eines unerträglichen Schweigens zutiefst leiden», lade Bischof Morerod diese ein, Aussage zu machen.
Genoud wurde 1968 zum Priester geweiht und unterrichtete von 1976 bis 1994 in Bulle und von 1975 bis 2006 an der École de la foi in Freiburg, wie die Diözese schreibt. Zudem unterrichtete er am kantonalen Lehrerseminar (1972 bis 1975), am Kollegium St. Michael (1975 bis 1977) sowie an der Volkshochschule des Kantons Freiburg (1976 bis 1994) und an der Universität Freiburg (1996 bis 1999). Von 1999 bis 2010 war er Bischof der Diözese Lausanne, Genf und Freiburg.
Morerods Flucht nach vorn
Kurz nach Bekanntwerden des Berichts über Missbräuche in der Katholischen Kirche Ende Sommer wurden gegen Charles Morerod zunächst Vorwürfe erhoben, seinen Stellvertreter vor Missbrauchsvorwürfen zu decken. Ende September dann trat dieser zurück. Zugleich war Morerod länger ausgefallen, weil er sich bei einem Sturz mit einem Velo schwere Verletzungen zugezogen hatte.
Charles Morerod ist seit 2011 Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg. Der 62-Jährige ist 1988 zum Priester geweiht worden. Nebst verschiedenen Ämtern innerhalb der Katholischen Kirche war Morerod ab 2015 auch vier Jahre Präsident der Schweizerischen Bischofskonferenz und trat dabei öfter auch in Medien auf.