Der Mistelzweig bringt an Weihnachten Glück. Weniger romantisch ist: Die Pflanze ist ein Schmarotzer
Wissen Sie schon, wen Sie diese Weihnachten unter dem Mistelzweig küssen werden? Ein solcher Kuss verheisst bekanntlich Glück und ewige Liebe. Auch zu Silvester soll einem der Glücksbringer unters Kopfkissen gelegt nur Gutes fürs neue Jahr bescheren. Was viele nicht wissen ist, dass es sich bei der Mistel eigentlich um einen Parasiten handelt.
Als sogenannter Halbschmarotzer wächst die Pflanze in den Baumkronen und entzieht ihren Wirten Wasser und Nährstoffe, kann aber durch Fotosynthese auch selbst Kohlenhydrate herstellen. Sie kann dadurch Laub- und Nadelbäume schwächen und im Extremfall sogar zum Absterben bringen. Ihre weissen, leicht durchsichtigen Beeren werden von Misteldrosseln und Mönchsgrasmücken gefressen sowie vom Seidenschwanz, wenn dieser im Winter in der Schweiz auf Durchzug ist. Die Vögel scheiden anschliessend die klebrigen Samen aus, welche in den Baumkronen spriessen und sorgen so für die Ausbreitung der Mistel.
Weil sie in den Baumkronen spriesst – quasi zwischen dem göttlichen Himmel und der irdischen Erde – wurde sie wahrscheinlich kulturell so aufgeladen und mystisch. Für die Germanen, Griechen und Kelten war die Mistel ein göttliches Zeichen. Bis heute ist sie zudem die einzige bekannte Zutat des Zaubertranks, der den Galliern um Asterix ihre Kräfte verleiht. Denn einst wurden den weissen Beeren eine heilende Wirkung nachgesagt.
Mistel verbreitet sich durch Klimaerwärmung
In Deutschland ärgern sich Obstbauern und Forstbetriebe über die Verbreitung der Mistel. In der Schweiz dagegen sei die Verbreitung des Halbparasiten hingegen nicht problematisch, sagt Benno Schmid, Kommunikationsleiter von Wald Schweiz. «Ein gesunder Baum kann gut damit leben», sagt er. Hierzulande verkaufen Forstbetriebe die mystische Mistel gerne vor Weihnachten.
Heikel wird es, wenn Bäume durch andere Stressfaktoren, wie Pilze, Käfer oder Trockenheit bereits geschwächt sind. Gleichzeitig ist ein von Misteln befallener Baum wiederum anfälliger für Pilz- und Insektenbefall. Durch die Folgen des Klimawandels, befürchtet Schmid, könnte die Mistel künftig zum Problem werden.
Schon heute lässt sich beobachten, dass die Mistel in höheren Lagen vorkommt als noch vor 100 Jahren. Wie verbreitet sie aber hierzulande genau ist, lässt sich laut Schmid nicht beziffern. Die eidgenössische Forschungsanstalt für Wald Schnee und Landschaft WSL hat in den Jahren 2003 und 2004 die Verbreitung der Mistel im Kanton Wallis untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass jede dritte Föhre unter 1600 Metern über dem Meer von Misteln befallen waren. Damit wurde auch die langjährige Annahme verworfen, dass Misteln nur bis 1000 Metern über Meer wachsen.