Vor einem Jahr startete der Gewerbeverband eine Solaroffensive – was ist daraus geworden?
Dächer grosser Gewerbehallen bieten viel Fläche für Photovoltaikanlagen. Eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz spricht von fast 7 Millionen Quadratmetern, die sich im Aargau dafür eignen. Wegen beschränkter Produktions- und Montagekapazität könnte es aber 15 bis 20 Jahre dauern, bis diese Dächer mit Solarpanels bestückt wären.
Hinzu kommt der Kostenfaktor: Laut einer Erhebung des Aargauischen Gewerbeverbandes (AGV) würden vor allem KMU mit Investitionen in Solaranlagen zögern, denn sie müssten mindestens 40 Prozent Eigenmittel bei den Hypotheken aufbringen. Der AGV brachte deshalb die Idee einer speziellen Solar-Hypothek für Unternehmen ins Spiel, ähnlich wie die Kantonalbank für Minergiebauten eine «Green Hypothek» anbietet.
Der AGV wollte dadurch den Ausbau der Solarstromproduktion auf Firmendächern beschleunigen. Firmen, Banken, Notare und Kantonsangestellte sassen dafür zusammen, rechneten eine Lösung vor: Die geplante Solar-Hypothek würde von den Firmen nur 10 statt 40 Prozent Eigenmittel fordern. Banken würden 90 Prozent der Kosten übernehmen – vorausgesetzt, dass der Kanton für 10 Prozent davon bürge. Diese Kantonsgarantie wäre auf zehn Jahre beschränkt, eine übliche Solaranlage auf einem Firmendach ist über die Stromerträge aber normalerweise nach neun Jahren amortisiert.
Der Verband war begeistert, der Kanton nicht
Für den Gewerbeverband war diese Lösung optimal: Firmen hätten weniger Mittel aufbringen müssen, das Risiko wäre für Banken und Kanton klein gewesen. Vor allem würden die administrativen Kosten dank des neuen standardisierten Verfahrens tiefer ausfallen.
Vor etwa einem Jahr fragte der AGV also beim Kanton nach, ob dieser für eine Testphase zwei Millionen Franken für Bürgschaften sprechen würde. Doch der Kanton verneinte: Das Projekt sei unnötig, hiess es. Vor allem sei nicht belegt, dass der Ausbau von Solaranlagen auf Firmendächern an der Finanzierung scheitere. Eine Sonderregelung fürs Gewerbe sei aufgrund des Gleichbehandlungsprinzips auch nicht zulässig.
Urs Widmer, Geschäftsleiter des AGV, verstand nicht, warum sich der Kanton bei den laut AGV niedrigen Risiken nicht bereit sei, die Solar-Hypothek zu unterstützen. Nachgefragt nach dem aktuellen Stand des Projekts ein Jahr später, sagt Urs Widmer nun, man habe das Thema vorerst nicht weiter forciert. Einerseits sei weiterhin nicht viel Installationskapazität für Solarpanels vorhanden, andererseits sei durch die inzwischen leicht gesunkenen und stabilisierten Energiepreisen bei vielen Betrieben der Anreiz entfallen, selber Strom zu produzieren.
«Seitens unserer Mitglieder ist kein Druck gekommen. Das Konzept könnten wir aber jederzeit reaktivieren», sagt er. «Der Kanton hat uns versprochen, sich um die Sache zu kümmern und uns wieder Bescheid zu geben.»
Kanton will eher beim Fachkräftemangel ansetzen
Nachgefragt beim Kanton sagt Kommunikationsleiter Giovanni Leardini: Der Regierungsrat sei nach wie vor überzeugt, dass Photovoltaikanlagen auch ohne Kredite für Firmen lohnenswert seien. «Durch die hohen Energiepreise und den damit verbunden der Rückspeisetarifen ist die Attraktivität der Eigenproduktion und die Wirtschaftlichkeit einer eigenen Photovoltaikanlage weiter gestiegen.» Grössere Dächer seien per se sehr attraktiv für Solaranlagen. Bei fehlender Finanzierbarkeit könnten Firmen auf Lösungen direkt mit den Energieversorgungsunternehmen setzen.
Bürgschaften, wie dies die Solar-Hypothek des AGV vorsah, seien wegen des zwischenzeitlich gestiegenen Zinsniveaus heute eher noch schwieriger. Dafür setze sich der Kanton im Rahmen des Projekts «Informa Solar» dafür ein, dem Fachkräftemangel bei der Installation von Photovoltaikanlagen entgegenzuwirken. Über dieses Weiterbildungsangebot lernen unter anderem Arbeitslose oder Geflüchtete, Solarpanels zu installieren.
Ab 2025 wird es auch den Beruf «Solar-Installateur/in» geben, mit ersten eigens auszubildenden Lehrlingen oder Quereinsteigern, wie Matthias Egli, Geschäftsführer von Swissolar, diese Woche in einem Interview sagte. Wartezeiten hätten sich verkürzt, sechs Monate für den Bau einer Anlage seien realistisch.
Der schnelle Anstieg der Anzahl Solaranlagen im letzten Jahr habe die Branche überrascht. Insbesondere, weil viele geplanten Fördermassnahmen noch gar nicht umgesetzt seien. Die Subventionen kommen erst noch. 10 Prozent des Schweizer Strombedarfs stammt nun aus Solarflächen. Bis 2050 sollen es 50 Prozent sein.
Grosse Firmen setzen auch ohne Zustupf auf Solarstrom
Beispiele von Photovoltaikanlagen auf Dächern von Aargauer Gewerbebetrieben gibt es inzwischen einige. In Lupfig haben etwa die Firma Amag ihr neues Karosseriecenter oder Antalis ihre Hallendächer mit Solarpanels ausgestattet. In Schafisheim setzen Conforama und Lagerhäuser Aarau darauf, in Möhlin die Rodi Fructus AG, in Gränichen die Zehnder Group, in Suhr Schmid Textilrewashing, in Aarau die Weinkellereien. In Rheinfelden wurden dieses Jahr Solarpanels auf dem Isemeyer-Gewerbeareal aufgestellt.
Zuletzt hat der Suhrer Grossrat Thomas Baumann (Grüne) ein Postulat eingereicht, um die Möglichkeiten von Solardarlehen seitens Kanton zu prüfen. Der Regierungsrat arbeitet nun daran. Für konstruktive Gespräche mit dem Gewerbeverband stehe man weiterhin zur Verfügung.