Deklarationspflicht für eingeflogene Lebensmittel: Gastrobetriebe und Detailhändler wollen davon nichts wissen
Crevetten aus Vietnam, Ananas aus Costa Rica oder Rindfleisch aus Paraguay: In der Produktepalette der Detailhändler finden sich etliche Lebensmittel, die per Flugzeug in die Schweiz gelangen. Deren Klimabilanz ist deutlich schlechter als bei identischen Produkten, die per Schiff, Bahn oder Lastwagen eingeführt werden. Gemäss einem Bericht der Wissenschaftskommission des Nationalrats belastet etwa eine per Flugzeug importierte Mango die Umwelt zehnmal stärker als eine Mango, die per Schiff geliefert wird.
Ein anderer Bericht im Auftrag des Bundesamts für Umwelt zeigt noch deutlichere Unterschiede: Werden die pro Tonne und Kilometer verursachten Treibhausgasemissionen betrachtet, so fallen diese beim Flugtransport 12- bis 16-mal höher aus als beim Lastwagentransport. Im Vergleich mit dem Bahn- oder Schiffstransport sind sie gar bis zu 30-mal höher.
Um das Ernährungssystem nachhaltiger zu gestalten und Konsumentinnen und Konsumenten einen «bewussteren Kaufentscheid» zu ermöglichen, sollen deshalb künftig per Flugzeug eingeführte Frischprodukte deklariert werden müssen. Dazu zählen Fisch, Fleisch, Gemüse und Früchte. Die vorberatenden Kommissionen von National- und Ständerat haben eine entsprechende parlamentarische Initiative von Christine Badertscher (Grüne/BE) angenommen. Noch bis zum 22. Januar können Betroffene zur geplanten Anpassung im Lebensmittelgesetz Stellung nehmen. Dann berät das Parlament die Vorlage.
Bauern sind dafür, Detailhändler dagegen
Wenig begeistert von einer Deklarationspflicht zeigt sich nebst dem Gastronomie- und Hotellerieverband Gastrosuisse auch die IG Detailhandel, welche die Interessen von Coop, Migros und Denner vertritt. Sie verweist darauf, dass das Transportmittel «nicht matchentscheidend» sei, wenn es um die Umweltbelastung von Lebensmitteln gehe. Schliesslich verursache die Produktion «einen weitaus höheren Anteil an Schadstoffen als der Transport».
Zudem würden einige Detailhändler eingeflogene Lebensmittel schon heute freiwillig deklarieren oder gar auf solche Produkte verzichten. Es soll deshalb weiterhin den Unternehmen überlassen werden, «mit welchen Massnahmen die Nachhaltigkeit und die Emissionsreduktion im Detailhandel vorangetrieben werden kann».
Der Bauernverband hingegen unterstützt die Forderung nach einer Deklaration der Flugtransporte. Angesichts «der klima- und umweltpolitischen Bemühungen der Schweiz» seien unnötige Flugtransporte von Lebensmitteln nicht tolerierbar. Wenn die problematische Transportart erkennbar sei, könnten Konsumentinnen und Konsumenten ihre Lebensmitteleinkäufe nachhaltiger gestalten. Der dadurch entstehende Aufwand sei geringfügig, so der Bauernverband. Schliesslich würden Lebensmittel schon heute hinsichtlich ihrer Herkunft geprüft – und die Detailhändler könnten die Deklaration vermeiden, wenn sie per Flugzeug importierte Lebensmittel aus dem Sortiment streichen.
Auch die Umweltallianz – der Zusammenschluss von Greenpeace, Pro Natura, WWF und dem Verkehrs-Club Schweiz – begrüsst die Deklarationspflicht. Diese soll nicht nur schriftlich erfolgen, sondern mit dem Symbol eines Flugzeugs auf der Verpackung ergänzt werden. Die Umweltallianz will zudem noch einen Schritt weitergehen: Anstatt lediglich Flugtransporte zu kennzeichnen, sollen künftig alle Konsumprodukte mit ihrem vollständigen ökologischen Fussabdruck deklariert werden müssen. So könne man den Konsumentinnen die Möglichkeit geben, die nachhaltigsten Produkte leichter zu identifizieren. Zudem verhindere man dadurch «das von einigen Produzenten und Einzelhändlern praktizierte Greenwashing».
Gemäss Zahlen des Bundesamts für Zoll- und Grenzsicherheit gelangen jährlich zwischen 2 und 3 Prozent aller Fleischimporte per Flugzeug in die Schweiz. Beim Fisch liegt der Anteil bei etwa 4 Prozent, bei Früchten und Gemüse bei unter 1 Prozent, wenn lediglich die direkten Flugimporte berücksichtigt werden. Aus diesen drei Kategorien werden jährlich zwischen 6000 und 12’000 Tonnen Lebensmittel eingeflogen.