Gemeindeversammlung oder Urnenabstimmung? In Rothrist wird über obligatorische Abstimmungen diskutiert
Das lange Ringen um die Wiggertalstrasse ist vorbei. Nach einem erfolgreichen und einem gescheiterten Referendum kann die Umfahrungsstrasse gebaut werden. Die Diskussionen um eine grössere Beteiligung der Bevölkerung bei solch wichtigen Projekten – also einer obligatorischen Urnenabstimmung – ebbt aber nicht ab. Einige Rothristerinnen und Rothrister sind der Meinung, dass bei einer Urnenabstimmung eine grössere Legitimation vorhanden wäre, als wenn an einer Gemeindeversammlung 150 Menschen über wichtige Geschäfte entscheiden.
Die Gemeindeversammlung ist das oberste Organ
Der Gemeinderat habe Verständnis für diese Sichtweise, heisst es in einer Medienmitteilung vom Freitagmorgen. Die gesetzlichen Bestimmungen im Kanton Aargau liessen eine zwingende Urnenabstimmung aber nicht zu. Massgebend sei das Gesetz über die Einwohnergemeinden. Demnach unterstehen die Gemeinden entweder der Organisation mit Gemeindeversammlung oder derjenigen mit Einwohnerrat. Gemäss der Gemeindeordnung ist in Rothrist die Gemeindeversammlung das oberste Organ.
Die Gemeindeversammlung ist beispielsweise für die Bewilligung von Verpflichtungskrediten oder für die Beteiligung der Gemeinde an Aktiengesellschaften zuständig. Diese Gemeindeversammlungsbeschlüsse unterstehen jeweils dem fakultativen Referendum. Sie werden rechtskräftig, wenn nicht innert der gesetzlichen Frist das Referendum dagegen ergriffen wird. Auch ein sogenanntes «obligatorisches Referendum», wonach Gemeindeversammlungsbeschlüsse immer – also ohne Unterschriftensammlung – der Urnenabstimmung unterliegen, gibt es im Kanton Aargau nur beim Erlass oder bei einer Änderung der Gemeindeordnung, bei Änderungen im Bestand der Gemeinde – etwa bei einer Fusion mit einer anderen Gemeinde – oder bei der Einführung der Organisation mit Einwohnerrat.
Es ist den Gemeinden im Kanton Aargau nicht gestattet, weitere Sachgeschäfte dem obligatorischen Referendum zu unterstellen oder sogar direkt an der Urne, ohne vorgängigen Gemeindeversammlungsbeschluss, darüber abstimmen zu lassen. Falls eine Gemeinde dies in ihrer Gemeindeordnung trotzdem so vorsehen sollte, würde die entsprechende Bestimmung vom Kanton für ungültig erklärt, heisst es in der Medienmitteilung.
Ralph Ehrismann«Das Gesetz lässt dieses Vorgehen schlicht nicht zu»
Rothrister Gemeindeammann
Dem Gemeinderat sind die Hände gebunden
Der Rothrister Gemeindeammann Ralph Ehrismann sagt: «Die Idee einer direkten Urnenabstimmung wurde in letzter Zeit rege in der Bevölkerung diskutiert. Deshalb war es uns ein Anliegen klarzustellen, dass uns in dieser Hinsicht die Hände gebunden sind.» Das Gesetz lasse dieses Vorgehen schlicht nicht zu.
Der Gesetzgeber im Kanton Aargau habe der Gemeindeversammlung ganz bewusst einen hohen Stellenwert eingeräumt. An der Gemeindeversammlung können die Stimmberechtigten nämlich diskutieren sowie Fragen und Anträge stellen, was bei einer Urnenabstimmung nicht möglich ist. Es handelt sich somit um direkte Demokratie in Reinkultur. Der offene Prozess der politischen Meinungs- und Willensbildung bedeutet eine gewichtige Legitimation des Mehrheitsentscheides, heisst es in der Medienmitteilung weiter.
Eine Antwort zu “Gemeindeversammlung oder Urnenabstimmung? In Rothrist wird über obligatorische Abstimmungen diskutiert”
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Ich bin sehr froh, dass es in Rothrist die Gemeindeversammlung noch gibt und sie wird auch noch Jahre bestehen, denn wenn man sieht was bei Gemeinden mit Einwohnerrat manchmal für widersinnige Sachen beschlossen werden und dann kein Referendum ergriffen wird, weil die Parteien zum Bremsklotz werden, die im Vorfeld das Resultat im Einwohnerrat beschlossen haben, wer will dann die eigene Partei bekämpfen, ohne abgekanzelt zu werden, bei der Einwohnerversammlung behalten alle ihr Gesicht.