Rechtlich auf wackligen Beinen: Berlin schafft die Antidiskriminierungsklausel ab
Sie war eine der am heissesten diskutierten Änderungen in der Berliner Kulturförderung des vergangenen Jahres. Anfang Januar 2023 hatte die Berliner Regierung bekannt gegeben, man wolle bei Förderanträgen künftig von den Kulturschaffenden ein Bekenntnis gegen Antisemitismus und weitere Formen der Diskriminierung einholen. Gegen den Vorschlag des Berliner Kultursenators Joe Chialo formierte sich früh Widerstand – sowohl vonseiten der Kulturschaffenden als auch im politischen Lager. Nun haben rechtliche Unklarheiten die erst im Dezember eingeführte Diskriminierungsklausel zu Fall gebracht.
Beschränkung der Kunstfreiheit?
«Aufgrund von juristischen Bedenken, dass die Antidiskriminierungsklausel in dieser Form nicht rechtssicher ist, wird diese ab sofort keine Anwendung in Zuwendungsbescheiden mehr finden», schrieb die Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt am Montag in einer Medienmitteilung. Man werde aber am Ziel einer diskriminierungsfreien Kultur festhalten.
Als Grund führt man rechtliche Gründe an. Kultursenator Joe Chialo liess verlautbaren, er werde sich weiter für die diskriminierungsfreie Entwicklung der Berliner Kultur einsetzen. «Ich muss aber die juristischen und kritischen Stimmen ernst nehmen, die in der eingeführten Klausel eine Beschränkung der Kunstfreiheit sahen. Die Debatten brauchen wir jetzt mehr denn je, und es ist Zeit zu handeln – daran besteht für mich kein Zweifel.»
Angst vor «Bekenntniszwang»
Kulturschaffende hatten laut gegen die neue Regelung protestiert. In einem offenen Brief setzten sie sich gegen den «Bekenntniszwang» zur Wehr und kritisierten, dass die Einführung ohne vorgängigen gesellschaftlichen Dialog erfolgt war. Der umstrittene anonyme Netzaufruf «Strike Germany», der Kulturschaffende online aufforderte, deutsche Kulturinstitutionen wegen der Israel-Politik des Landes zu boykottieren, hatte ihre Mission ebenfalls unter anderem mit der Antidiskriminierungsklausel begründet. Mehr als 1000 Stimmen haben die Erklärung unterschrieben, darunter die Philosophin Judith Butler, die frühere Documenta-Leiterin Catherine David und die französische Autorin Annie Ernaux.