Patient verzichtet auf Narkose: Erste Operation in Hypnose am Kantonsspital Baden
Vor mehr als eineinhalb Jahren hat Daniel Gisler aus Remetschwil bei einem häuslichen Unfall das Schien- und Wadenbein gebrochen. Der 55-Jährige wurde damals im KSB operiert. Er bekam – wie bei einer solch schweren Verletzung üblich – Metallplatten, Nägel und Schrauben eingesetzt, um die gebrochenen Knochen zu fixieren.
Weil ihn Teile dieser Platten und Schrauben nun störten, wollte sie Gisler entfernt haben. Doch er wollte nicht wie üblich unter Narkose operiert werden. Vor der OP versetzte sich Gisler selbst in einen Trancezustand.
«Selbst neugierig, ob und wie die Hypnose-Methode funktioniert»
«Das ist in der Tat ein aussergewöhnlicher Wunsch», sagt Karim Eid, Chefarzt Orthopädie/Traumatologie im KSB in einer Mitteilung. «Als innovatives Spital wollten wir dem Patienten diese Erfahrung ermöglichen, zumal wir selbst neugierig waren, ob und wie die Hypnose-Methode funktioniert.»
Video: So haben Daniel Gisler und das OP-Team den Eingriff erlebt
Normalerweise wäre für einen Eingriff dieser Art eine Vollnarkose oder mindestens eine Lokalanästhesie vor. «Denn das Bein wird über eine Länge von zehn Zentimetern bis auf den Knochen des Schien- und Wadenbeins geöffnet», heisst es in einer Mitteilung des KSB.
Hätte Gisler während der OP zu starke Schmerzen verspürt, wären die Operateure bereit gewesen, den Eingriff unter Lokalanästhesie fortzusetzen. Hätte das nicht geklappt, wäre sie abgebrochen worden. Doch so weit kam es nicht.
Gisler habe zwar ein Ziehen beim Schnitt, Schmerzen bei der Verödung der Kapillaren und diverse Drucksituationen an seinem Unterschenkel verspürt, «aber ansonsten war alles ganz erträglich», erklärt er in der Mitteilung. Auch die Kommunikation im OP-Saal habe er mitbekommen, jedoch bestmöglich ausgeblendet.
Wie versetzte sich Gisler selbst in Hypnose?
Vierzig Minuten vor dem OP-Start hatte sich der Orthopädie-Patient per Audio-Aufnahmen in Hypnose versetzt. Sein Ziel: der Esdaile-Zustand. Es handelt sich dabei um einen sehr tiefen Hypnose-Zustand, der sich unter anderem dadurch auszeichnet, dass die hypnotisierte Person schmerzfrei sein soll. Er ist nach dem schottischen Chirurgen James Esdaile benannt, der im 19. Jahrhundert seine Patienten vor Operationen in Trance versetzte.
«Ausser leichtem Stöhnen und gelegentlichem Zucken blieb der Operierte weitestgehend ruhig, seine Augen waren stets geschlossen», schreibt das KSB weiter in einer Mitteilung. Am schmerzhaftesten sei für ihn das Zunähen der Wunde zum Schluss gewesen, gab er nach der OP zu Protokoll. Sein Fazit: Einen Eingriff in diesem Rahmen würde er wieder so vornehmen lassen.
Sogar das OP-Team war verblüfft
Die starke Wirkung der Hypnose habe das OP-Team verblüfft, zumal der Patient bei seinem ersten Eingriff noch ziemlich viel Schmerzmittel benötigt hatte. Erstaunt war der die OP leitende stellvertretende Oberarzt, Steven Maurer, darüber hinaus von der Tatsache, dass der Patient während des Eingriffs ohne Blutsperre im Verhältnis äusserst wenig Blut verloren hat.
Eine Stunde nach der OP verliess Daniel Gisler das Spital wieder – zu Fuss. Die OP in Hypnose wird am KSB trotzdem nicht alltäglich. «Die klassische Anästhesie bleibt bei Eingriffen weiterhin unverzichtbar», erklärt Karim Eid. (fan)