Nach dem grossen Zerwürfnis: SP und Grüne starten ein historisches Gemeinschaftsprojekt
Balthasar Glättli, Präsident der Grünen, wählte giftige Worte. «Die SP hat gezeigt: Ihre Solidarität hört an ihrer eigenen Gartentür auf, sie hört bei ihren eigenen Interessen auf», sagte er gegenüber den Tamedia-Zeitungen. Das war am 13. Dezember, dem Tag der Bundesratswahlen. Dass die SP Grünen-Kandidat Gerhard Andrey nicht unterstützt hatte, brachte die rot-grünen Beziehungen in die Nähe des Gefrierpunkts. Daran hat sich bislang wenig geändert, im Gegenteil: In Basel-Stadt kam seither ein grüner Angriff auf einen SP-Regierungssitz hinzu.
Keine einfache Ausgangslage für ein gemeinsames Grossprojekt: Die Klimafondsinitiative ist das erste Volksbegehren in der Geschichte der Schweiz, die von zwei Parteien gleichzeitig lanciert wurde. Wie sowohl die SP als auch die Grünen gegenüber dieser Zeitung bestätigen, haben sie dafür die nötige Unterschriftenzahl erreicht. Bereits steht auch ein Termin fest, um die Initiative einzureichen: Bei der Bundeskanzlei beantragt wurde der 22. Februar.
Sowohl Glättli wie auch SP-Nationalrat Roger Nordmann wollen von einem Zerwürfnis nichts mehr wissen. «Die Zusammenarbeit bei der Unterschriftensammlung klappte hervorragend», betonen sie unisono. Man wolle sich auf die inhaltlichen Gemeinsamkeiten konzentrieren.
Tatsächlich haben SP und Grüne offenbar ähnlich viel zum Sammlungsergebnis beigetragen – ungeachtet der unterschiedlichen Parteienstärke. Das ist insofern beachtlich, als die Anfänge der Initiative ebenfalls begleitet waren von Misstönen. Die Idee zur Initiative beanspruchten beide Parteien zuerst für sich; mehrere Wochen sah es so aus, als kämen zwei Klimafonds-Initiativen auf die Schweiz zu.
Inspiration aus dem Ausland
Das kann daran liegen, dass die Initiative prominente Vorbilder aus dem Ausland hat, die wohl SP wie Grüne inspiriert hatten. In den vergangenen Jahren haben insbesondere die USA und die EU gigantische Investitionsprogramme zugunsten des Klimaschutzes verabschiedet. Der Green New Deal von Joe Biden sieht Klima-Ausgaben in der Höhe von 3 bis 4 Billionen US-Dollar binnen acht Jahre vor. Die Europäische Union zog mit dem milliardenschweren Programm «Fit for 55» nach.
Der Klimafonds ist die Adaption dessen in der Schweiz: Kern des Anliegens ist ein Geldtopf, der jährlich mit einem Betrag aus der Bundeskasse geäufnet wird. Dieser soll sich zwischen einem halben und einem Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) bewegen. In der Schweiz betrug das BIP in den vergangenen Jahren zwischen rund 700 und 800 Milliarden Franken, der Fonds erhielte jährlich also zwischen 4 und 8 Milliarden Franken. Zum Vergleich: Für das Jahr 2022 beziffert das Bundesamt für Statistik die nationalen Ausgaben für den Bereich Luftreinhaltung und Klimaschutz mit 0,6 Milliarden Franken.
Mit dem neuen Fördertopf sollen Bund, Kantone und Gemeinden die «menschengemachte Klimaerwärmung und ihre gesellschaftlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Folgen» bekämpfen: die Dekarbonisierung vorantreiben, die Biodiversität steigern, die Energiewende umsetzen. Taktgeber und Zeithorizont ist die vom Volk beschlossene Klimaneutralität bis 2050. Rückt dieses Ziel in erreichbare Nähe, kann der Betrag für den Klimafonds gesenkt werden.
Generationenprojekt Klimawende
«Der jährliche Beitrag an den Klimafonds ist von der Schuldenbremse nicht betroffen», sagt Roger Nordmann, «er belastet den Bundeshaushalt also nicht.» Dafür nötig ist eine Verfassungsänderung. Der Grund ist für Nordmann klar: «Die Klimawende ist das grosse Projekt unserer Generation, vergleichbar mit der Verstaatlichung der SBB. Es ergibt Sinn, dass dieses Geld jetzt vorhanden ist.»
Auch Glättli ist um historische Vergleiche nicht verlegen: «Die Schweiz steht vor einer riesigen Transformation», sagt er. Die Energiewende bedeute eine Veränderung der Gesellschaft, wie es beispielsweise der Bau der Autobahn war. «Die Abstimmung um das CO2-Gesetz hat gezeigt, dass Lenkungsabgaben alleine einen schwierigen Stand haben.» Deshalb brauche es neue Ideen, um den Investitionsbedarf zu stemmen.
Auch wenn die Initiative in den Küchen von SP und Grünen entstanden ist: Sympathien findet sie auch innerhalb der GLP. Mit Roland Fischer und Barbara Schaffner verstärken zwei (alt) Nationalräte das rot-grüne Ensemble im Initiativkomitee.