«Es war nicht der perfekte Tisch»: Ein Obersiggenthaler räumt trotz Missgeschick an Kocholympiade ab
Es ist der Albtraum jedes Spitzenkochs: Kurz vor der Präsentation seiner kulinarischen Kunstwerke geht etwas schief. Dem «Cercle des Chefs de Cuisine Lucerne CCCL» mit dem Obersiggenthaler Lam Nguyen passierte das einen Tag vor dem Auftritt an der internationalen Kocholympiade in Stuttgart.
Der 23-jährige Koch des Panorama-Restaurants Hertenstein erzählt: «Wir hatten in der Schweiz während fünf Tagen Fingerfood, eine Terrinenplatte, drei Vorspeisen, ein Fünf-Gang-Menü sowie vier Desserts und Petit Fours vorbereitet. Dafür haben wir die Nacht von Samstag auf Sonntag durchgemacht.» Mit einem Mietauto fuhren sie nach Stuttgart, wo sie eine Küche in einem Altersheim angemietet hatten, um die letzten Handgriffe zu tätigen.
Dort angekommen, stellten sie fest, dass einige Komponenten beim Transport teilweise beschädigt wurden. Und da auch keine Reserve vorhanden war, schliefen sie von Montag auf Dienstag ebenfalls keine Minute.
Am Wettkampftag bauten sie den Tisch mit dem Motto «365 Switzerland» auf – ein Matterhorn-Relief, an dessen Fuss die Köstlichkeiten in Tellern darauf warteten, von der Jury bewertet zu werden. Ein Jahr lang hatten sie sich auf diesen Moment vorbereitet, jeden Monat drei Tage gemeinsam getestet und geübt. Nun hatten sie zwei Stunden Zeit. Und es musste alles perfekt sein.
Fehler in den Details fielen nicht ins Gewicht
«Es war kein perfekter Tisch», bilanziert Lam Nguyen, der für das Fingerfood zuständig war: Pilzburger im Hanf-Bun, Bohnenmus mit Aspik, Pickles und Salsiccia, Lachsforellen-Tatar im Tartelette und Süsskartoffel-Soja-Millefeuille mit veganer Mayo und Amaranth.
In der Hektik habe er kleine Fehler gemacht, die er erst bemerkte, als es schon zu spät war. So habe er aus einem unerfindlichen Grund die untere Hälfte des Hanf-Buns beim Pilzburger nicht verwendet. Das habe ihn geärgert, gibt er zu, denn: «Ich bin Perfektionist.»
Das Jury-Feedback sei trotzdem fast durchwegs positiv gewesen, sagte Teammanager Alex Limbach, der in der Region Baden als Küchenchef im «Paradies» am Cordulaplatz bekannt ist: «Es wurden nur einige Details kritisiert. Dafür wurden insgesamt die Farben unserer Gerichte sowie die Umsetzung unserer Ideen gelobt.» Limbach war es auch, der Lam Nguyen für eine Mitarbeit bei Team CCCL angefragt hatte.
90,233 von 100 möglichen Punkten reichten in Stuttgart für eine Goldmedaille – die gabs für fünf Teilnehmer, die zwischen 90 und 100 Punkten erkämpften. Insgesamt klassierten sich die Innerschweizer als Dritte, hauchdünn hinter Korea und Schweden, in der Kategorie Regionale Küche. Die Differenz zwischen den Plätzen zwei bis fünf betrug nur 0,5 Punkte, so der Obersiggenthaler, der einen Pokal in Form einer bronzefarbenen Kochmütze nach Hause nehmen durfte.
Am nächsten Tag kehrte Lam Nguyen in die Schweiz zurück, wo er diese Woche noch Ferien geniesst – «und erst einmal so richtig ausschlafen» wollte. Das Panorama-Restaurant Hertenstein ist wegen Betriebsferien noch bis am 19. Februar geschlossen. Daniela und Martin Ettisberger freuten sich in den Ferien mit ihrem Chef de Partie: «Wir sind sehr stolz auf Lam. Er ist jung, aber sehr ehrgeizig.»
Ab Sommer beginnt er ein Studium in Zürich
Sein Interesse fürs Kochen hat Lam Nguyen eher zufällig entdeckt – in der Kochschule der Oberstufe. Er machte eine Schnupperlehre im ehemaligen «La Cappella» im Kappelerhof und war begeistert. Die Lehre absolvierte er in der Reha-Klinik Bellikon, die neben der Kantine auch über ein À-la-carte-Restaurant verfügt: «Diese Vielfalt war perfekt.»
Anschliessend heuerte er im Restaurant Paradies in Baden unter Küchenchef Alex Limbach an. Beide mussten jedoch im Mai 2023, kein Jahr nach der Wiedereröffnung, das «Paradies» verlassen, weil Mitbesitzer Niklas Schneider vom «Grossen Alexander» an den Cordulaplatz wechselte. Limbach wechselte ins «25hours Hotel» an der Zürcher Langstrasse, und Nguyen zog es ins «Hertenstein».
Ende April wird Nguyen aber weiterziehen, um an der Fachhochschule in Zürich Lebensmitteltechnologie zu studieren. Aus finanziellen Gründen will er weiterhin Teilzeit in einem Restaurant in der Region Baden kochen. Eine Stelle habe er zwar noch nicht gesucht: «Im Mai mache ich zuerst einmal einen Monat Pause.» Wegen des Fachkräftemangels dürfte er jedoch keine Mühe haben, eine Anstellung zu finden.
Verschwendung an der Kocholympiade
Der junge Koch freut sich auf den neuen Lebensabschnitt. «Nachhaltigkeit ist ein grosses Thema für mich», erklärt er. Deshalb bekundete er auch Mühe damit, dass bei der Kocholympiade in Stuttgart nur kalte Teller gefragt waren und anschliessend alle Gerichte entsorgt wurden. Damit sei nun aber Schluss, sagt Lam Nguyen erfreut: Ab der nächsten Olympiade 2028, erneut in Stuttgart, wird es warme Teller geben.
Dass er wieder dabei sein wird, steht für den gebürtigen Turgemer, der heute in Rieden bei Nussbaumen wohnt, bereits fest: «Ich habe in Stuttgart sehr viel gelernt. Sehr präzises Arbeiten, genaue Organisation und Teamarbeit – das Projekt hat uns zusammengeschweisst.» Ein Missgeschick wie dieses Mal wird den Luzerner Spitzenköchen sicher nicht mehr passieren.