Einer, der gegen die Hydra ankämpfte
Als Klaus Plaar 1947 in Essen zur Welt kam, lagen die Stadt und deren Krupp-Werke als Ziel der alliierten Bomber noch in Trümmern. Über seine Kindheit hat er nie viel erzählt. Einmal aber hat er im ZT in wenigen Sätzen seinen ersten Schultag geschildert, zu welchem er eine grosse Schultüte bekam. Auf dem Foto zum Text wirkt der Knabe Plaar glücklich. Fotografie, das Dokumentieren des Gegenwärtigen, aber auch das Bewahren der Erinnerungen an Vergangenes, ist ein wichtiges Stichwort zu Klaus Plaar und seinem Leben. Obwohl wir ihn vor allem als «Homme de lettres» kennen lernen durften: Plaar hat den Beruf des Fotografen erlernt – auch wenn ihn schon damals Literatur, Geschichte und vor allem Religionen interessiert haben.
Zofingen und der Nationalsozialismus
1966 übersiedelte Plaar nach Zofingen, wo er bei Ringier zuerst als Reproduktionsfotograf, später als Scanner-Operator arbeitete. In seiner Freizeit bildete er sich in einer Vielzahl von Wissensgebieten weiter – so in Ethnologie, Kirchengeschichte, Theologie und vor allem Judaistik. Daneben begann er für das Zofinger Tagblatt über kulturelle Anlässe zu schreiben. Nach 23 Jahren bei Ringier und inzwischen eingebürgert (später auch stolzer Zofinger Ortsbürger), entschloss er sich, als freiberuflicher Journalist zu arbeiten. Schon damals ein hartes Brot. So trat er 1992 als Redaktor beim Zofinger Tagblatt ein. Ausserhalb des Redaktionsalltags beschäftigte er sich weiterhin mit historischen Themen – untersuchte ohne Auftrag des Verlags oder der Chefredaktion die Zeit des Nationalsozialismus in Zofingen und die Positionen, welche das Zofinger Tagblatt damals einnahm. Zu einer Publikation im Umfeld des 125-Jahr-Jubiläums des Tagblatts kam es 1997 nicht. Hatte man Angst vor unbequemen Erkenntnissen? Wie auch immer. Plaar attestierte Chefredaktor Albert Maurer (im Amt von 1914 bis 1956) und seinem Blatt eine dem Nationalsozialismus gegenüber kritische Haltung. Zu einer Veröffentlichung von Plaars Arbeit kam es in den Zofinger Neujahrsblättern 2004 bis 2006.
Apropos Neujahrsblätter. In jenen von Zofingen, wie auch von Aarburg und in der Heimatkunde Wiggertal fand Plaar immer wieder Gefässe für kleiner und grössere Publikationen – wie beispielsweise jene über den «Bildkosmos des Zofinger Chorgestühls». Sein aussergewöhnlich tiefes und breites Wissen liessen ihn für die Zofinger Volkshochschule tätig werden, welche er ab 1995 leitete. Ein erstes eigenes Buch konnte Klaus Plaar 1997 veröffentlichen. Zum 100-Jahr-Jubiläum des Murgenthaler Ortsteils Balzenwil verfasste er unter dem Titel «Lebendiges Dorf mit reicher Geschichte» eine umfangreiche Festschrift. Inzwischen Mitglied der Oberst-Künzli- Gesellschaft, würdigte er 2008 den Murgenthaler Patrioten und Philanthropen zu seinem 100. Todestag in einem vielbeachteten Werk, für welches Plaar zum Ehrengesellschafter ernannt wurde.
Das Phänomen des Antisemitismus
Seit 2009 pensioniert, publizierte Plaar 2015 unter dem Titel «Juden, Jesus, Judas» ein zweibändiges Werk über die «rezeptionsgeschichtlichen Wurzeln der Judenverfolgung», mit welchem er in der Fachwelt auf grosse Anerkennung stiess. Ein Satz von Plaar zu seinem Werk: «Historisches Forschen ist ein geeignetes Instrument, um seine eigenen Anschauungen zu hinterfragen». 2020 erschien das Buch «Jüdischer Kulturraum Aargau», zu dessen Mitverfassern Plaar gehörte. Seine Mitautorinnen und Mitautoren tragen klingende Namen aus der Historiker Gilde und der israelitischen Kultusgemeinschaft. 2021 sprach der Regierungsrat einen Beitrag von 2500 Franken für weitere Projekte Plaars. So folgte 2022 ein letztes mahnendes Werk: «Wie das Haupt der Hydra – über das Phänomen des Antisemitismus». Am 17. Februar verstummte die Stimme von Klaus Plaar für immer.