Bauern sollen drei Mal mehr Geld bei Enteignungen bekommen – unterstützt werden sie von den Linken
Enteignungen sind unschön. Weil die öffentliche Hand immer wieder landwirtschaftliches Kulturland benötigt, beispielsweise um Strassen zu bauen oder Gewässer zu revitalisieren, sind sie manchmal aber unumgänglich.
Anlass zu Diskussionen bot am Dienstag im Grossen Rat die Frage, wie viel Geld enteignete Landwirte als Entschädigung erhalten sollen. Bisher erhielten die Eigentümerinnen und Eigentümer im Kanton Aargau einfach den Schätzwert ausbezahlt.
Die Regierung will das Gesetz so ändern, dass künftig als Entschädigung das Doppelte gegenüber der bisherigen Praxis ausbezahlt wird. Noch einen Schritt weiter geht die Kommission für Umwelt, Bau, Verkehr und Energie (UBV): Sie fordert eine Verdreifachung. Finanziell falle das «nicht sehr stark ins Gewicht», argumentiert Präsident Christian Glur.
Es handle sich um eine Angleichung an das Bundesrecht. Mit der Erhöhung soll eine Harmonisierung mit den in manchen Nachbarkantonen geltenden Regelungen erreicht werden, so die Argumentation.
Schliesslich bezweifelt noch eine Minderheit, dass eine Verdoppelung wie auch eine Verdreifachung rechtskonform ist. Drei Ansichten, die auch im Grossen Rat für Zündstoff sorgten.
FDP und GLP haben kein Verständnis
Beim Freisinn stiessen die Vorschläge der Regierung und der Kommission auf wenig Begeisterung: Adrian Meier sagte, seine Fraktion könne mit dieser Vorlage «rein gar nichts» anfangen.
Die FDP vermisse die Rechtsgleichheit gegenüber anderen Enteignungen. Die Kantonsverfassung halte fest, dass bei Enteignung die volle Entschädigung zu leisten sei, nicht die dreifache. Meier sprach von einer einseitigen Bevorzugung des Bauernstands. Die Bauernlobby habe hier eine weitere Möglichkeit gewittert, sich am Honigtopf des Staates zu bedienen.
Jeanine Glarner (FDP) hielt es für «unanständig, worüber wir hier abstimmen». Die Bauern wollten den Fünfer, das Weggli und das Schoggistängeli, sagte sie. Kritik hagelte es auch von der GLP, zum Argument der Harmonisierung sagte Leandra Knecht: «Sämtliche Nachbarkantone ausser Zug haben eine einfache Vergütung. Was muss da noch harmonisiert werden?» Man schaffe falsche Anreize und schütze keinen Quadratmeter Landwirtschaftsfläche.
Linke äussern Verständnis mit den Bauern
Unterstützung erhielten die Bauern von den Linken. Gabi Lauper (SP) argumentierte: Um produzieren zu können, brauche ein Landwirtschaftsbetrieb Land. Man sei also interessiert, dieses nicht abzugeben. Die SP wolle mit der dreifachen Erhöhung ihre Wertschätzung für die Landwirtschaft zeigen. Und Landwirt Thomas Baumann (Grüne) ergänzte, dass die dreifache Entschädigung immer noch weit vom effektiven Baulandwert entfernt liege.
Als Geschäftsführer des Bauernverbands sei er sich das Bauern-Bashing gewohnt, sagte Ralf Bucher (Mitte). Er fragte in die Runde, ob der Aargau ein Sonderzügli fahren oder sich ans Bundesrecht angleichen solle. Für letzteres habe sich die Mitte stark gemacht.
Bei der SVP und vor allem bei der EVP war man sich uneins. Das Argument, man müsse sich den anderen Kantonen anpassen, könne man nicht nachvollziehen, sagte Roland Frauchiger (EVP). So sei es bei anderen Dingen ja auch.
Bei der SVP hat das Thema laut Patrick Gosteli für «intensive Diskussionen» gesorgt. Pascal Furer sagte: Man sei selbstverständlich nicht der Ansicht, gegen die Verfassung zu verstossen. Es sei eine Behauptung von Juristen, dass hier gegen die Verfassung verstossen werde, «und ich behaupte eben das Gegenteil». Eine grosse Mehrheit der SVP werde die dreifache Entschädigung unterstützen.
So kam es dann auch: Mit 88 Ja- zu 36 Nein-Stimmen bei 5 Enthaltungen stimmte der Grosse Rat für die dreifache Entschädigung. Die Vorlage wurde in erster Lesung überwiesen.