Einsturzgefährdet, feucht, anfällig auf Ungeziefer: Das Gefängnis soll einen neuen Laden und Produktionsstandort erhalten
Es wird deutlich: Der Istzustand ist unhaltbar. Sowohl im 5*-Laden, in dem unter anderem Produkte verkauft werden, die in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Lenzburg hergestellt werden, als auch in der Joghurterie und der Bäckerei im Kellergeschoss der Anstalt.
Das ist der Botschaft des Regierungsrats an den Grossen Rat zu entnehmen. Dieser wird an seiner nächsten Sitzung vom 19. März über einen Kredit von 11,82 Millionen Franken für das Vorhaben «Weiterentwicklung und Optimierung der Gewerbebetriebe der Justizvollzugsanstalt (JVA) Lenzburg» befinden. Ursprünglich war man noch von 5 Millionen ausgegangen. Unter anderem die Teuerung, aber auch die detailliertere Betrachtung des Projekts verteuerten das Vorhaben um mehr als das Doppelte.
Bestandsaufnahme ernüchternd bis schockierend
Das alte Suterhaus, an welches der Laden angebaut wurde, ist gemäss Botschaft einsturzgefährdet. Das Geschäft selbst ist zwar gut beieinander, aber es mangle an Verkaufs- und Ausstellungsflächen. So müssten etwa die allseits beliebten Wähen, die jeweils am Mittwoch verkauft werden, im Gang auf Wagen gelagert werden. «Zudem ist die Infrastruktur des Verkaufstandorts veraltet und muss erneuert werden.»
Noch schlimmer klingt es betreffend die Joghurterie und die Bäckerei. Das Kellergeschoss der JVA sei nicht ideal für die Herstellung von Lebensmitteln. Konkret: Vieles entspricht nicht den geltenden Vorschriften. Die Räume sind feucht, auf den Bildern im erläuternden Projektbericht ist gar Schimmel zu sehen, der Verputz platzt ab – und die Räumlichkeiten seien «anfällig auf Ungeziefer». Ausserdem hätten die Mitarbeitenden keine Möglichkeit, sich umzuziehen, es fehlt ein Büroarbeitsplatz und Tageslicht hat’s auch nicht.
Neubau im Gelände, Abriss und Neubau draussen
Der Plan, um die offensichtlich untragbare Situation zu lösen: Innerhalb der JVA soll ein neues Produktionsgebäude für die Joghurterie und die Bäckerei gebaut werden. Nicht mit Containern, wie ursprünglich angedacht, denn das hatte die Denkmalpflege abgelehnt. Entstehen soll gemäss den Unterlagen «ein einfacher, funktional gehaltener Holzbau» in Modulbauweise. Kostenpunkt: rund 7 Millionen Franken.
Das Suterhaus soll abgerissen und durch einen Neubau mit demselben Volumen (Unter-, Erd- und zwei weitere Geschosse) ersetzt werden. Weichen müsste das Gebäude gemäss den Unterlagen so oder so: «Kann das Vorhaben nicht umgesetzt werden, müsste das Suterhaus zeitnah abgerissen werden, da bereits heute Einsturzgefahr droht und das Haus nicht mehr betreten werden darf.»
Im Untergeschoss würden Technik- und Lagerbereich sowie die WC-Anlage untergebracht, im EG der Verkaufsraum erweitert. Im ersten Stock würden die Artikel der gefängnisinternen Korberei und der Schreinerei angeboten. Im 2. Stock käme die Ausstellung der JVA Lenzburg unter, im bereits bestehenden Teil würde jene der Wisa Gloria neu platziert. Das Gefängnis betreibt auch die Wisa-Gloria-Klinik. Kosten soll das alles rund 3,2 Millionen Franken.
Zehn Arbeitsplätze mehr für Gefangene
Mit rund 2,5 Millionen Franken an den Kosten beteiligen wird sich voraussichtlich das Bundesamt für Justiz. Man gehe davon aus, so heisst es in den Unterlagen, dass die künftig «erwirtschafteten Deckungsbeiträge den Anstieg der zusätzlichen fixen Kosten (Personalaufwand) langfristig übersteigen werden und somit eine positive wirtschaftliche Entwicklung bewirkt wird». Denn: 4,85 zusätzliche Stellen werden voraussichtlich nötig. Durch den geplanten Ausbau könnten aber etwa mehr in der Anstalt produzierte landwirtschaftliche Erzeugnisse gleich auch in der Anstalt weiterverarbeitet werden. Das erziele mehr Einnahmen als der Verkauf unbearbeiteter Produkte.
Werden die Neubauten wie geplant umgesetzt, können künftig 14 statt wie heute 4 Gefangene in der Joghurterie und der Bäckerei arbeiten. Strafvollzugsanstalten sind gesetzlich dazu verpflichtet, das soziale Verhalten der Gefangenen zu fördern. «Die Resozialisierung der Straftäter basiert dabei auf drei Säulen: Therapie, Arbeit und sinnvolle Freizeitbeschäftigung», heisst es in den Unterlagen. Ein Beispiel für Letzteres ist auch das Theater, das in der JVA-Turnhalle aufgeführt wird. Beim Bereich Arbeit gehe es nicht nur darum, den Gefangenen eine Tagesstruktur aufzuerlegen, sondern auch, ihnen Wissen mitzugeben, das sie nach der Entlassung anwenden können. Sprich: Dass sie eine Arbeit finden, wenn sie wieder draussen sind.
Kosten könnte es indes auch etwas, wenn die Projekte nicht umgesetzt werden. Denn werden die gesetzlichen Anforderungen an die Qualität der Arbeitsplätze nicht erfüllt, «besteht die Gefahr, dass Einweisungsbehörden anderer Kantone weniger Einweisungen von Gefangenen in die JVA Lenzburg vornehmen könnten». Das würde zu Ertragseinbussen führen. Geht alles glatt, wäre der Baubeginn der beiden Bauten im zweiten Quartal 2025.