Jetzt also doch: Der Eigenmietwert steigt auf 62 Prozent der Marktmiete
Dass der Eigenmietwert im Aargau angepasst werden muss, hat nicht die Politik entschieden, sondern das Verwaltungsgericht. Denn der Kanton erfüllt die Vorgaben des Bundes bei der Schätzung von Eigenheimen schon lange nicht mehr. Die Vorgaben besagten, dass der Eigenmietwert in jedem Einzelfall und zu jedem Zeitpunkt die Schwelle von 60 Prozent der Marktmiete des entsprechenden Objekts nicht unterschreiten darf. Und dies ist im Aargau nicht gegeben.
Der Grosse Rat beugte sich am Dienstag in zweiter Beratung über das Schätzungswesen. Im Dezember 2022 hatte er in erster Lesung einen Eigenmietwert von 60 Prozent bestimmt. Der Regierungsrat hatte 62 Prozent vorgeschlagen. Der 2-Prozent-Puffer soll ein weiteres Verfahren gegen den Kanton verhindern.
Nun schwenkte das Parlament um und folgte der Regierung. Mit 70 Ja- zu 64 Nein-Stimmen setzt er den Eigenmietwert bei 62 Prozent der Marktmiete fest. Ob dieser Wert eingehalten wird, soll alle fünf Jahre überprüft werden.
SVP: Nicht nur reiche Hausbesitzer
Dagegen stellten sich SVP und FDP. Nicht alle Eigenheimbesitzer seien vermögend, sagte Hansjörg Erne für die SVP-Fraktion. In Zeiten der steigenden Preise müssten sie aber jetzt auch noch für den Eigenmietwert tiefer in die Tasche greifen. Die Jahresrechnung des Kantons zeige zudem, dass dieser mehr Steuern einnimmt, als er braucht. Auch eine Neubeurteilung alle fünf Jahre lehnte die SVP ab, ein Zehn-Jahres-Rhythmus genüge, so Erne. Schwäche sich der Immobilienmarkt ab, veränderten sich die Werte schliesslich auch gegen unten.
Die FDP sehe den Nutzen eines Puffers von zwei Prozent beim Eigenmietwert nicht, sagte Silvan Hilfiker für die Fraktion. Beim Schätzungsrhythmus befürworteten die Freisinnigen ebenfalls einen Zehn-Jahres-Rhythmus.
Alle anderen sahen es wie der Regierungsrat. «Spielen wir nicht mit dem Feuer», sagte Roland Kuster für die Mitte-Fraktion. Der Kanton soll beim Eigenmietwert das Zepter selber in der Hand behalten – komme es aber zu einem neuen Verfahren wegen zu tiefer Einschätzungen, sei die Autonomie. Dann kann ein Wert für den Kanton festgelegt werden.
Und dieser würde dann vielleicht deutlich höher ausfallen als 62 Prozent. «Wer also den Eigenheimbesitzern etwas Gutes tun will, stimmt für 62 Prozent», mahnte Urs Plüss für die EVP. Die Tierwelt bemühte Dominik Gresch (GLP) für sein Votum: «Ein Spatz in der Hand ist bekanntlich besser als eine Taube auf dem Dach.» Und auch die Grünen folgten dem Regierungsrat.
SP hätte sich 70 Prozent gewünscht
Der SP ging der Vorschlag nicht weit genug, man hätte 70 Prozent bevorzugt, meinte Carol Demarmels für die Sozialdemokraten. Einen Antrag stellte die SP aber nicht, auch sie stimmte den 62 Prozent der Regierung zu.
Wichtig sei, dass die Mehreinnahmen aus dem Schätzungswesen wieder an die Bevölkerung zurückfliessen, sagte Silvan Hilfiker (FDP) – und zwar mit der Steuergesetzrevision 2025, die verschiedene Senkungen für natürliche Personen vorsieht. Sie soll, wie das Schätzungswesen, am 1. Januar 2025 in Kraft treten. Diese Debatte wollte der Grosse Rat am Dienstag ebenfalls führen. Dazu reichte die Zeit aber nicht mehr.