Begnadeter Mechaniker und Sammler löst sein «Lädeli» in Aarburg auf
Es fällt einigermassen schwer den Überblick zu behalten, wenn man das «Lädeli» von René Schmitt an der Bahnhofstrasse 66 in Aarburg betritt. Bis unter die Decke sind die Gestelle gefüllt mit Blechdosen, Bierhumpen, Modelleisenbahnen. Auf Tischen finden sich Schachteln voller Uhren, Alben mit Briefmarken, Postkarten oder Bier-Etiketten, Gestelle mit Shellack-Platten. Im Schaufenster ist die Auswahl an Fasnachtsplaketten, Uhren, Porzellanfiguren, Spieldosen oder Bildern gross. Und überall im «Lädeli» finden sich Schreibmaschinen.
Der wohl letzte aktive Schreibmaschinen-Mechaniker
Denn René Schmitt hat einen Beruf erlernt, der heute komplett aus der Zeit gefallen ist. «1952 bis 1956 habe ich bei der Basler Firma J. F. Pfeiffer eine Lehre als Schreibmaschinen- Mechaniker absolviert», sagt Schmitt mit unverwechselbarem «Glaibasler» Dialekt, der ihm geblieben ist, obwohl er schon seit mehr als 60 Jahren in der Region wohnt. Nach der Lehrzeit arbeitete er fünf Jahre in der Basler Filiale des Hermes-Paillard-Konzerns. «Weil ich dort mehr schlecht als recht bezahlt wurde, wechselte ich zu IBM», führt der 88-Jährige aus. Dort wurde er zum Servicetechniker für den Aussendienst ausgebildet und arbeitete sich hoch bis zum Technischen Leiter der Region Aarau / Olten.
In seinem Beruf erlebte der heute in Rothrist wohnhafte Schmitt die rasante technologische Entwicklung hautnah mit. Die erste Kugelkopfschreibmaschine von IBM war 1961 eine gewaltige Revolution. «Ohne Wagen, ohne Typenhebel, mit verschiedenen Schriften», erzählt er begeistert. 60 Mio. Dollar habe IBM in diese Entwicklung investiert. Noch heute besitzt Schmitt Ersatzteile für solche Maschinen.
Er zeigt auf ein kurzes Drahtkabel. «Dieses wurde gebraucht, um die Bewegung der Kugel zu steuern», erklärt er. Ein Kabel, das mit einem Gewicht von 1,5 Tonnen auf seine Qualität hin geprüft worden sei, sagt Schmitt, der zu jedem Gegenstand auch eine Geschichte zu erzählen weiss.
In den 1980er-Jahren näherte sich die technologische Entwicklung der Schreibmaschine mehr und mehr ihrem Ende. Erste Schreibsysteme hielten Einzug und ab den 1990er-Jahren wurde in Büros praktisch nur noch mit PCs gearbeitet. «IBM zog sich schon früh aus dem Geschäft mit Schreib- und Büromaschinen zurück», blickt Schmitt zurück. Zusammen mit drei Partnern konnte Schmitt die schweizweite Kundschaft von IBM übernehmen und führte das Geschäft weiter – 1978 wurde dazu die BMS (Büro-Maschinen-Service) AG mit Hauptsitz in Aarburg gegründet. «Das Geschäft lief besonders in den Anfangszeiten sehr gut», sagt Schmitt, in den besten Zeiten seien bis zu 25 Mitarbeitende beschäftigt worden. Später wurde die Firma vom leider viel zu früh verstorbenen Sohn Beat als Einzelfirma weitergeführt. Noch heute, mit 88 Jahren – «man würde mir höchstens 87 Jahre geben», wie er humorvoll meint –, repariert René Schmitt Schreibmaschinen für Sammlerinnen und Sammler. «Es werden leider immer weniger», sagt er. Dabei schwingt viel Wehmut mit.
Noch immer finden sich viele Schreibmaschinen in der Sammlung von René Schmitt. Rund 250 waren es in Spitzenzeiten – heute sind es deutlich weniger, weil der Sammler etliche verkauft hat. Noch immer aber findet sich im «Lädeli» in Aarburg eine grosse Auswahl historischer Trouvaillen. Etwa eine «Mignon». «Das ist eine sogenannte Zeigerschreibmaschine», weiss René Schmitt. Bei Maschinen dieses Typs wurde mit der linken Hand über einem Tableau ein Zeiger zum gewünschten Buchstaben geführt und mit der rechten Hand die Schreibtaste angeschlagen, um auf dem Papier einen Abdruck zu erzielen. Zwischen 1903 und 1933 baute die Berliner AEG, damals einer der grössten Elektrokonzerne weltweit, 350 000 Maschinen dieses Typs. Besonders stolz ist René Schmitt auf eine «blinde Remington» mit Jahrgang 1876. «Blind deshalb, weil man das Geschriebene erst beim Blattauszug sehen konnte», erläutert er. Schmunzelt und hebt die Walze an. «Man konnte es natürlich auch so einsehen», sagt er. Und schon steht Schmitt bei der nächsten Maschine. «The Smith Premier Typewriter» steht da drauf. «Besonders an dieser Schreibmaschine mit Jahrgang 1903 ist, dass sie zwei Tastaturen hat», führt Schmitt aus, «eine für Gross-, eine für Kleinbuchstaben». Oder eine Oliver Schreibmaschine mit den charakteristischen Bügeln, auf denen die Typen angebracht waren. «Das waren die ersten Schreibmaschinen, welche beim Bund eingesetzt wurden», weiss René Schmitt, der seine Schreibmaschinen- Sammlung auch schon ausgestellt hat. 1972 im Perry Center. Mehr als ein halbes Jahrhundert später besteht nochmals die Möglichkeit, einige dieser Maschinen zu sehen. Und sie auch zu erwerben. Beim grossen Flohmarkt vom 13. April, 10–16 Uhr, im «Lädeli» von René Schmitt.
Fasziniert von Mechanik und solidem Handwerk
Die Sammelleidenschaft hat René Schmitt schon früh gepackt. «Seit meiner Lehre habe ich Schreibmaschinen gesammelt», verrät er. «Mein Vater hat nicht nur Schreibmaschinen gesammelt, sondern auch viel Herzblut in die Maschinen gesteckt», präzisiert sein Sohn, André Schmitt. Fasziniert hat ihn die ausgeklügelte Mechanik dieser Maschinen. Die Mechanik, das war auch der hauptsächliche Beweggrund für René Schmitt, später mit dem Reparieren und Sammeln von Uhren zu beginnen. Und auch hier weiss er natürlich vieles zu erzählen. Holt eine winzig kleine Uhr aus dem Schaufenster. Es ist eine automatische Damenuhr der Marke «Sigma» mit einem Durchmesser von etwa 15 Millimetern! Zwei Uhrmacher hätten einst grosse Augen gemacht, als sie sie gesehen hätten. «Sie wussten nämlich nicht, dass es überhaupt so kleine Automaten gibt», sagt er. Und schon stehen zwei wunderbare Modelle alter Wecker auf dem Tisch. Beide Automaten mit integriertem Pendel. Solides Handwerk eben.
«Am Sammeln hat mich immer die Handarbeit fasziniert», führt Schmitt beim Blick auf die beiden Wecker aus. Eine Handarbeit, die heute leider mehr und mehr verloren gehe. Kaffeemaschinen, um ein Beispiel zu nennen, bestünden heute meist nur noch aus Kunststoff. «Die hochwertigen Materialien fehlen immer mehr – egal wo», bedauert er.