Zwei bis drei Anzeigen jährlich: Aargauer Regierungsrat äussert sich zu sexuellen Übergriffen im Medizinalbereich
In einer Aargauer Rehaklinik ist es im vergangenen Jahr zu einer sexuellen Belästigung gekommen. Soweit es aus dem Strafbefehl ersichtlich ist, handelt es sich bei Opfer und Täter um Patienten. Ein ähnliches Problem sprach Grossrätin Karin Koch Wick (Mitte) in einer Interpellation an, die Ende Februar vom Regierungsrat beantwortet wurde.
Auf die Frage, wie viele Missbrauchs- oder Übergriffsfälle durch Ärzte oder Psychiater in den vergangenen vier Jahren im Kanton Aargau zur Anzeige gebracht wurden, heisst es in der Antwort: «Im Bereich der ambulant tätigen Ärzte sind dem Regierungsrat seit 2021 drei Fälle bekannt.» Schätzungen, wie hoch die Dunkelziffer ist, liegen keine vor.
Bei der kantonalen Opferberatung ist die Fallzahl etwas höher: Jährlich bearbeite diese etwa zwei bis drei Fälle, welche die Beratung von Opfern von sexueller Gewalt im ärztlichen oder therapeutischen Umfeld betreffen, heisst es in der Antwort. Und: «Die Entscheidung, ob die betroffene Person eine Strafanzeige einreichen kann oder soll, ist in diesen Fällen besonders heikel.» Betroffene würden deshalb regelmässig an die Rechtsberatung verwiesen.
Überkantonale Lösung soll im Sommer angegangen werden
Die Mitte-Grossrätin möchte zudem wissen, welche Dienstleistungen ausgebaut wurden. Dazu wird auf den Aargauischen Ärzteverband (AAV) verwiesen, die Ombudsstelle nimmt jegliche Arten von Reklamationen, etwa zu Behandlungen, Rechnungsstellungen oder Diagnosen entgegen. «Aufgrund der zunehmenden Komplexität der Fälle und der Verfügbarkeit der Ombudspersonen sowie der breiteren Abstützung von Fachwissen hat der AAV im Jahr 2021 von zwei auf 13 Personen aufgestockt», heisst es in der Antwort. Das Angebot ist laut Ärzteverband ausreichend und habe sich bewährt.
Koch Wick weist darauf hin, dass der Regierungsrat 2019 in Aussicht gestellt habe, mit den Nordwestschweizer Kantonen eine überkantonale Lösung für eine Patienten-Anlaufstelle zu prüfen. Der Regierungsrat gesteht in seiner Antwort ein, dass dies bisher nicht in Angriff genommen wurde. Er nehme sich aber der Thematik an «und beauftragt die Abteilung Gesundheit mit der Initiierung der Gespräche mit den Nordwestschweizer Kantonen ab Sommer 2024».
Chat-Funktion soll die Hemmschwelle senken
Weiter möchte die «Mitte»-Grossrätin wissen, wie mit dem Problem der hohen Hemmschwelle umgegangen werde – diese bestehe, wenn ein Abhängigkeitsverhältnis herrsche, wie etwa bei einer Ärzte-Patienten-Beziehung.
Der Regierungsrat teilt diese Ansicht und weist auf die Opferberatung hin. Auf ihrer Website informiere diese ausführlich über ihre Angebote. «Die Anfang 2023 eingeführte Chat-Beratung soll ebenfalls einen niederschwelligen Zugang, insbesondere für Opfer von sexuellen Übergriffen, zur Opferberatung ermöglichen.» Im Falle einer Strafanzeige leitet die Polizei die relevanten Daten an die Opferberatung weiter – natürlich nur mit Zustimmung der Betroffenen.
Koch Wick fragt weiter, ob die kantonale Opferberatung im Fall von sexuellen Übergriffen durch Psychologen und Ärzte die geeignetste Anlaufstelle ist. «Die Beraterinnen und Berater der Opferberatung bringen umfangreiche Erfahrung in diesen Bereichen mit» schreibt der Regierungsrat. Für das Jahr 2025 beabsichtigten die Kantone die Einführung einer zentralen, rund um die Uhr erreichbaren Telefonnummer, um Opfern von Gewalt einen noch einfacheren Zugang zu bieten. «Der Bund plant – zeitgleich mit der Einführung der einheitlichen Telefonnummer durch die Kantone – generelle Sensibilisierungs-Kampagnen gegen Gewalt durchzuführen.»