Zofingen: Wütender Autofahrer bremst Rennrad-Gruppe aus, darauf eskaliert die Situation
25 Grad, Sonne, ein paar Wolken und ein bisschen Wind. Dieses Wetter zieht viele Velobegeisterte auf die Strassen. Dies oft zum Ärger von Autolenkern: Ständiges Hupen und riskante Überholmanöver sind der Alltag aller Velofahrenden. Ganz besonders, wenn sie mit dem Rennvelo unterwegs sind.
Wie schnell so etwas ins Auge gehen kann und was passiert, wenn sich die Gemüter erhitzen, zeigte ein Vorfall, der sich am Sonntag in Zofingen ereignet hatte – und der leicht zu Verletzten hätte führen können.
Eine zwölfköpfige Rennvelo-Gruppe war zu einem «Social Ride» – einer gemeinsamen Ausfahrt – verabredet. Regelmässig treffen sich Velobegeisterten aus dem Aargau und fahren eine organisierte Tour: Die Kilometer, Höhenmeter und die angepeilte Geschwindigkeit werden im Voraus bekannt gegeben; es gibt Leistungsgruppen.
Die Gruppe, die in den Vorfall verwickelt war, bestand aus den schnelleren und erfahreneren Fahrerinnen und Fahrern. Sie waren durchschnittlich mit 28 bis 30 Kilometern pro Stunde unterwegs, das liess sich mit den Velocomputern gut nachvollziehen. Dass Autofahrer hupen und knapp überholen, sind sich diese Fahrer gewohnt. Ihre Devise: Solange niemand gefährdet wird, ignorieren sie es gekonnt. Doch diesmal kam es anders, wie Augenzeugen aus der Gruppe berichten.
Einem Unfall knapp entkommen
Als sie nämlich durch Zofingen fuhren und gerade auf der Unteren Brühlstrasse unterwegs waren, fühlte sich der Fahrer eines von hinten nahenden roten Toyota offenbar besonders provoziert. Der Grund: Die zwölf Velofahrenden fuhren in der Gruppe, jeweils zwei nebeneinander und dicht hinter den Vorfahrern.
Gemäss den Velofahrern habe der Autofahrer, ein Mann mittleren Alters mit Frau und Kind im Auto, zunächst durchgehend gehupt. Dann setzte er zum Überholmanöver an – und sobald er wieder dicht vor den Velofahrenden eingebogen war, stieg er voll auf die Bremse. Bis zum Stillstand.
Die vordersten Fahrer konnten rechtzeitig bremsen, die hinteren schlitterten knapp an den Flanken des Autos vorbei. Einer touchierte den Seitenspiegel des Autos, ein anderer schlug beim Vorbeifahren wutentbrannt auf das Dach des Autos. Der Autofahrer stieg aus. Es kam zur Diskussion mit den Velofahrern, einer von ihnen Schlug mit der blossen Hand auf die Frontscheibe. Sie brach.
Weil der Autofahrer sich nicht beruhigt habe, rief ein Velofahrer die Polizei. Diese konnte am Montag wegen einer Abwesenheit nicht sagen, ob der Fall strafrechtliche Konsequenzen haben wird.
Laut Aussagen der Velofahrenden und der Kantonspolizei Aargau wurde dabei niemand verletzt. Doch es sei knapp gewesen, so die Velofahrer, denen der Schreck auch am Tag darauf noch in den Knochen sitzt.
Was der Autolenker wohl nicht wusste: Sind Velofahrer in Gruppen ab zehn Personen unterwegs, dürfen sie zu zweit nebeneinander fahren. Denn so verringert sich die Strecke, die der Autolenker zum Überholen braucht. Auch auf Radwegen, signalisierten Radwanderwegen auf Nebenstrassen und Begegnungszonen ist es den Velofahrenden gestattet, in Zweierkolonnen zu fahren. Es gilt jedoch, dass sie den Radweg benutzen müssen, sofern einer vorhanden ist.
In der Schweiz gibt es keinen gesetzlich vorgeschriebenen seitlichen Abstand zum Überholen von Velofahrenden. Im Ausland schon: In Deutschland muss ein Abstand von eineinhalb Metern zum Velofahrenden eingehalten werden. In Frankreich gilt: ein Meter Abstand innerorts und eineinhalb Meter ausserorts. In Österreich gelten innerorts eineinhalb und ausserorts zwei Meter.
Pro Velo Schweiz, der nationale Dachverband für die Interessen der Velofahrenden, fordert seit 2017 eine Regelung zum seitlichen Überholabstand. Doch 2022 lehnte dies der Nationalrat ab. Mit der Kampagne «Abstand ist Anstand» setzt sich Pro Velo Schweiz weiterhin dafür ein.
Laut Corina Winkler, Sprecherin der Kantonspolizei, kommt es selten vor, dass Velofahrer gegen Autolenker Anzeige erstatten. Denn: «Auf dem Velo kann man schlecht das Nummernschild des Autos aufschreiben. Es passiert meistens sehr schnell», sagt Winkler.