Schweiz verletzt Menschenrechte: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte gibt Klimaseniorinnen recht
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am Dienstagvormittag das Urteil im Fall Klimaseniorinnen gegen die Schweiz verkündet. Das Gericht hat eine Verletzung von Artikel 8 und 6 der Menschenrechtskonvention festgestellt.
Mit Artikel 8 ist das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt, mit Artikel 6 der Zugang zum Gericht.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am Dienstagvormittag das Urteil im Fall Klimaseniorinnen gegen die Schweiz verkündet. Das Gericht hat eine Verletzung von Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) und 6 (Zugang zum Gericht) der Menschenrechtskonvention festgestellt.
Artikel 8 beschreibt, so das Gericht, das Recht auf wirksamen Schutz durch den Staat gegen die Folgen des Klimawandels, die dieser auf das Leben, die Gesundheit, das Wohlergehen und die Lebensqualität hat. Die Schweiz sei ihren Pflichten diesbezüglich nicht nachgekommen.
Das Gericht gab den Klimaseniorinnen zudem bezüglich des Artikel 6, Paragraf 1 der Menschenrechtskonvention recht. Die Schweizer Gerichte, so die Argumentation, haben keine überzeugenden Gründe vorgebracht, warum sie es für unnötig gehalten haben, die Klage der Klimaseniorinnen zu untersuchen. Sie haben die Beschwerde nicht ernst genommen.
Die Klimaseniorinnen sind ein Betroffenen-Verein, der 2016 von Greenpeace initiiert wurde. Sie haben den Bund eingeklagt, weil er zu wenig tue, um sie vor den immer häufigeren und intensiveren Hitzewellen zu schützen. Ältere Frauen haben ein nachweislich höheres Sterberisiko bei Hitze als andere Bevölkerungsgruppen.
Da ihre Klage in der Schweiz in allen Instanzen abgelehnt wurde, haben die Klimaseniorinnen 2020 den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen. Es handelt sich um die erste Klimaklage, die an einem internationalen Gericht verhandelt wurde.
Das am Dienstagvormittag gefällte Urteil wird als Leiturteil angesehen. Zwar bindet es erst einmal nur die Schweiz, es hat aber grosse Signalwirkung: Die 46 Mitgliedstaaten des Europarats dürften sich künftig nach dem Urteil richten.
Zwei andere Klagen wurden abgewiesen
Neben den Schweizer Klimaseniorinnen klagten zudem Jugendliche aus Portugal und ein Bürgermeister aus Frankreich. Sie blieben jedoch erfolglos. Dem französischen Politiker fehle die sogenannte Opfereigenschaft, also dass er besonders betroffen sei, so die Richter. Die Jugendlichen hätten sich unter anderem zuerst in Portugal durch die Instanzen klagen müssen, bevor sie den Gerichtshof in Strassburg anrufen.