Absage an Bayern: Julian Nagelsmann bleibt bis zur WM 2026 Nationaltrainer von Deutschland
Fussball-Deutschland atmet auf. 56 Tage vor Beginn der Europameisterschaft zu Hause wird klar: Julian Nagelsmann bleibt über den Sommer hinaus Trainer des Nationalteams. Er verlängert seinen Vertrag bis zur WM 2026. Nagelsmann sagt: «Das ist eine Entscheidung des Herzens. Es ist eine grosse Ehre, mit den besten Spielern des Landes zu arbeiten.»
Die Nachricht ist ein Segen für den Deutschen Fussballbund (DFB). Dem Verband ist es gelungen, jenen Mann an sich zu binden, der in den letzten Wochen für eine regelrechte Euphorie gesorgt hat. Das ist nicht selbstverständlich nach Jahren der Tristesse.
Als Erinnerung dazu reichen die Resultate der Deutschen bei den vergangenen grossen Turnieren: WM 2022, Out in der Vorrunde. EM 2021, Out im Achtelfinal. WM 2018, out in der Vorrunde. Nichts und niemand konnten den schleichenden Niedergang nach dem Weltmeistertitel von 2014 stoppen.
Die Ära von Joachim Löw endete nach der EM 2021 ohne einen letzten Höhepunkt. Nachfolger Hansi Flick konnte die grossen Hoffnungen nie erfüllen. Anstatt für Aufbruchsstimmung sorgte er zunehmend für Verstimmung. Bis sich der DFB im letzten Herbst genötigt sah, ihn zwischen zwei Testspielen per sofort zu entlassen.
Gut, auch unter Julian Nagelsmann wurde nicht gleich alles besser. Auch er musste in den ersten Monaten erkennen, wie tiefgreifend die Probleme sind. Niederlagen gegen die Türkei (2:3) und Österreich (0:2) im Herbst haben auch bei ihm erste Zweifel ausgelöst.
Doch über den Winter hat er sich zu einigen harten Massnahmen durchgerungen. Dass es ihm gelang, Toni Kroos, diesen herausragenden und in Deutschland noch immer etwas geringgeschätzten Regisseur von Real Madrid, zum Comeback zu bewegen, ist die grösste Leistung. Doch dabei blieb es nicht. Nagelsmann entschied sich, einige Stars der zweiten Reihe auszumustern (u.a. Goretzka, Hummels, Brandt, Schlotterbeck) und stattdessen auf hungrige Spieler zu setzen (u.a. Andrich, Undav, Mittelstädt), die nicht gleich die grössten Ansprüche mitnahmen.
Auch Sportdirektor Rudi Völler verlängerte seinen Vertrag
Was folgte, war ziemlich verblüffend: Zwei Siege auswärts in Frankreich (2:0) und gegen Holland (2:1). Natürlich, es waren nur Siege in Testspielen im März. Und trotzdem hat das gereicht, um ganz Deutschland ein neues, gutes Gefühl einzuimpfen. Das ist gerade im Hinblick auf die Heim-EM unbezahlbar.
Wie sehr Nagelsmann selbst diese aufkommende Euphorie gefallen hat, lässt sich erahnen, wenn er nun zu seiner Vertragsverlängerung sagt: «Mit erfolgreichen, leidenschaftlichen Auftritten haben wir die Chance, ein ganzes Land mitzureissen. Einen Vorgeschmack darauf haben die Siege gegen Frankreich und Holland gegeben. Die Begeisterung der Fans hat mich sehr berührt.»
Gerade ihm, dem ehemaligen Bayern-Trainer, ist sehr wohl bewusst, wie rasch die Stimmung in Deutschland kippen kann. Erst die EM wird zeigen, ob die Euphorie in Deutschland tatsächlich nachhaltig ist. Auch die Schweizer Nati wird massgeblichen Anteil haben in der Beantwortung dieser Frage. Am 23. Juni fordert die Schweiz im letzten Gruppenspiel den Rivalen aus Deutschland. Es ist der Abschluss der Gruppenphase. Ungarn und Schottland sind die beiden anderen Gegner. Für Deutschland ist die Qualifikation für den Achtelfinal nicht mehr als ein Zwischenschritt. Seit dem März sind die Träume vom Titel im eigenen Land wieder mehr als nur ein waghalsiger Gedanke.
Die Herzensangelegenheit von Nagelsmann
In den letzten Wochen kamen immer wieder Gerüchte auf, wonach Nagelsmann zum FC Bayern zurückkehren könnte. Offensichtlich glaubt er aber ans Projekt Nationalmannschaft. Es reizt ihn mehr als die unvollendete Aufgabe bei seinem Heimatverein.
Darüber freut sich natürlich vor allem der DFB selbst. Präsident Bernd Neuendorf sagt: «Das ist ein starkes Zeichen von Julian Nagelsmann. Denn er steht bei vielen grossen Klubs in ganz Europa auf dem Wunschzettel. Aber die Nationalmannschaft ist für Nagelsmann nicht nur ein Job. Sie ist eine Herzensangelegenheit.»
Innert weniger Wochen ist es dem DFB jedenfalls gelungen, für maximale Ruhe vor der EM zu sorgen. Denn auch Sportdirektor Rudi Völler verlängerte seinen Vertrag jüngst bis 2026.