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Soll Mord unverjährbar sein? Nein, sagt der Aargauer Regierungsrat – das sind die Gründe

Mord verjährt in der Schweiz nach dreissig Jahren. Der Aargauer Regierungsrat ist aus drei Gründen dagegen, dass neu eine Unverjährbarkeit gelten soll. Seine Ansicht hat er bei der Vernehmlassung in Bundesbern eingebracht. 

Ein Mord verjährt in der Schweiz nach dreissig Jahren. Seit einigen Jahren ist in der Schweiz eine Debatte darüber im Gange, ob dies sinnvoll ist. Auslöser ist eine St. Galler Standesinitiative. Diese forderte «keine Verjährungsfristen für Schwerstverbrecher», weil Täter dank Techniken wie DNA-Analysen noch Jahre später überführt werden können.

Anfang Jahr hat die Rechtskommission des Ständerats eine Vernehmlassung eröffnet. Sie will die Initiative nun aber nicht wortgetreu, jedoch teilweise umsetzen. Mord soll im Strafgesetzbuch und im Militärstrafgesetz unverjährbar werden, nicht aber im Jugendstrafrecht. Bei anderen schweren Delikten, bei denen Beschuldigten auch eine lebenslange Freiheitsstrafe droht, will die Kommission die Verjährung nicht antasten.

Die Vernehmlassung endete letzte Woche. Der Aargauer Regierungsrat hat sich bereits zum Thema geäussert. Er will an der Verjährungsfrist festhalten und nennt drei Argumente.

1. Falsche Erwartungen, schwierigere Ermittlungen

Die Unverjährbarkeit könnte falsche Erwartungen schüren und die Beweisführung werde mit der Zeit «trotz allfälliger neuer technischer Möglichkeiten immer wieder schwieriger».

2. Marginale Verbesserung der Aufklärungsquote

Die Unverjährbarkeit von Mord werde höchstens marginal zur Verbesserung der Aufklärungsquote beitragen. «Ungeklärte Tötungsdelikte ergeben sich einerseits dann, wenn ein Verdacht gegen eine bestimmte Person besteht, diese jedoch nicht aufgefunden werden kann», schreibt er.

Bei anderen Fällen gebe es trotz intensiver Ermittlungen keine Hinweise auf die Täterschaft. «In beiden Konstellationen würde die Unverjährbarkeit von Mord im Vergleich zur heutigen Verjährung nach dreissig Jahren nichts Wesentliches zur Verbesserung der Aufklärungsquote beitragen.»

Mord unterscheide sich von Tatbeständen, die unverjährbar sind, nämlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Völkermord und Kriegsverbrechen). Hier könnten beispielsweise aus politischen Gründen während Jahren oder gar Jahrzehnten keine Ermittlungen gegen die Täterschaft geführt werden. Zudem gebe es in der Regel viele Opfer. Bei Delikten aus dem Sexualstrafrecht erhielten die Behörden erst viele Jahre nach den Taten Kenntnis von diesen. «Bei solchen Tatbeständen ist die Unverjährbarkeit im Gegensatz zu Mord sinnvoll.»

3. Grösserer Unterschied bei Verjährungsfrist

Als stossend bezeichnet der Regierungsrat die unterschiedlichen Verjährungsfristen von Mord und vorsätzlicher Tötung oder Vergewaltigung. Diese verjähren nach fünfzehn Jahren. Der Regierungsrat kritisiert deshalb, dass sich der Unterschied mit der Gesetzesänderung vergrössern würde.

Unterschiedliche Verjährungsfristen könnten dazu führen, dass ein Gerichtsentscheid zur rechtlichen Qualifizierung einer Tötung dazu führt, ob ein Verfahren wegen Verjährung eingestellt werden muss oder ein Urteil gefällt werden kann.

Vor der Vernehmlassung kam es zu mehreren hauchdünnen Entscheiden. Diese zeigen, wie umstritten das Thema ist. Im zweiten Anlauf hatte der Ständerat die Standesinitiative mit 21 und 20 angenommen. Zuvor hatte der Nationalrat sie mit 90 zu 89 Stimmen, bei 10 Enthaltungen gutgeheissen.

Wegen eines sogenannten Cold Case, dem «Kristallhöhlenmord», brachte der St.Galler SVP-Nationalrat Mike Egger das Thema auf politisches Parkett, als er noch Kantonsrat war. 1982 waren zwei Mädchen einige Wochen nach der Tat nahe der Kristallhöhle im St.Galler Rheintal tot aufgefunden worden. Ein Ermittler erzählte Egger später, dass die Verjährung für Angehörige eine Qual sei.