Das sollte der Nutri-Score können: Wir haben eine Food-App entdeckt, die auch Sie wollen
Lebebsmittel-Apps gibt es schon lange. Die Benutzerin scannt den Barcode eines Nahrungsmittels oder von Kosmetika und die App klärt über das Produkt auf: über die Nährwerte, die Zusammensetzung, über gefährliche Inhaltsstoffe. Alleine im Playstore von Google lassen sich mindestens fünf solcher digitalen Hilfen finden.
Doch sie sind immer nur so gut wie ihre Datenbanken. Wenn viele Schweizer Produkte darin fehlen, geht der Reiz verloren. Genau daran scheiterten die meisten Apps in den vergangenen Jahren. Die Yuka-App hat sie hingegen (fast) alle. Ich habe Hunderte Produkte aus Coop und Migros gescannt – und nur gerade eine Handvoll wurde nicht erkannt.
Die Yuka-App kommt aus Frankreich und gibt an, von der Lebensmittelindustrie komplett unabhängig zu sein.Als Beweis dafür werden sämtliche Einnahmen der Firma Yoca SAS veröffentlicht. Die Grundversion ist gratis, die Erweiterungen sind kostenpflichtig.
Seit 2022 existiert eine deutsche Version. Trotzdem ist Yuka (im Gegensatz zum Welschland) in der Deutschschweiz noch nicht angekommen. Nun habe ich den Narren daran gefressen: Die App stellt den Nutriscore, der nun auf vielen Lebensmitteln mit der Klassierung von A bis E aufgedruckt ist, klar in den Schatten.
Endlich eine App, die auch Zusatzstoffe bewertet
Denn bei Yuka geht es auch um möglicherweise schädliche Zusatzstoffe, wie Süssstoffe, Bindemittel oder Geschmacksverstärker welche Nutri-Score ausblendet. Bei dem Bewertungssystem geht es vor allem um Zucker, Fett und Salz. So kommt es, dass bei Nutri-Score eine gesunde, unverarbeitete Walnuss wegen ihres Fettes nur ein C erhält.
Zwar übernimmt die Yuka-App die Bewertung vom Nutri-Score aufgrund von Kalorien, Zucker, gesättigten Fettsäuren, Protein und Ballaststoffen. Das macht 60 Prozent der Bewertung aus. 30 Prozent machen aber Zusatzstoffe, oder besser deren Absenz, aus; 10 Prozent, ob es sich dabei um ein Bioprodukt handelt. 100 Punkte können deshalb nur Bio-Produkte ohne problematische Zusatzstoffe erreichen.
Und so scanne ich drauflos – und staune. Denn innerhalb der Produktgruppen gibt es enorme Unterschiede. Zum Beispiel bei den Chips. Ja, der Einwand ist berechtigt. Wer Chips isst, weiss, was er sich antut. Aber wer sich von jemandem freiwillig ins Gesicht schlagen lässt und dabei die Wahl hat zwischen Mike Tyson und Elisabeth Baume-Schneider, wäre leichtsinnig, die Entscheidung dem Zufall zu überlassen.
Bio-Tortilla-Chips aus dem Migros zum Beispiel: 100 von 100 Punkten. Bereits spiele ich mit dem Gedanken, meine Ernährung komplett darauf auszurichten. Aber Achtung – die Yuka-App vergleicht wie auch der Nutri-Score Produkte innerhalb derselben Gruppe. Also eine Fertigpizza mit einer Fertigpizza und Schokoladenhase mit Schokoladenhase.
Doch ein «ausgezeichnet» haben wir zum Beispiel in der Kategorie Schokolade nie entdeckt: Am besten schneidet da eine schwarze Bio-Schokolade ab, was 59 Punkte gibt – die meisten Osterhasen schaffen nur 30 Punkte wegen zu vieler gesättigter Fettsäuren. Die Standard-Zweifel-Chips «Original» schaffen 54 Punkte und damit ein «gut» (Paprika ein «mittelmässig» mit 48 Punkten). Beide klassieren sich weit besser als ähnliche Produkte, die sich vorwiegend an Kinder richten. Pringels hingegen sind für Gäste, die man loswerden will: Sie gucken mit 3 bis 15 Punkten und einer Bewertung «schlecht» in die Röhre.
Noch schlechter schneiden die bei Kindern besonders beliebten Tik-Tok-Chips Takis ab: 0 von 100 Punkten. Gewürzter Sondermüll. Und wer die «Fuego Rolled Tortilla Chips» verdrückt, verdrückt neun Zusatzstoffe. Vier davon werden von der App als «riskant» bezeichnet.
Mit ein paar Klicks erfahre ich mehr – und erhalte die Quellen zu den entsprechenden wissenschaftlichen Studien. Dieses Feature wirkt besonders vertrauenerweckend. Von den Takis lerne ich, dass sie das Antioxidans Tertiär-Butylhydrochinon enthalten. Es wird verdächtigt, «Veränderungen der Struktur des genetischen Materials zu verursachen». In den Takis ist es trotzdem drin. Genauso wie der Lebensmittelfarbstoff Gelborange S. Dieser begünstigt, so vermutet man, bei Kindern Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörungen.
Nicht überrascht bin ich von den 0 Punkten der Citterio-Salami, der Chorizo und der Budget-Lyonerwurst. Dass Bündnerfleisch mit mageren 7 und 8 Punkten ebenfalls so mies abschneidet, hätte ich indes nicht erwartet.
Wer einen gesünderen Sandwichbelag sucht, muss zum Fake-Fleisch. Aber auch dort zeigt sich: Es gibt enorme Unterschiede. Der vegane Schinken Spicker der Rügenwalder Mühle schafft mit 51 Punkten mehr als das gesamte Echtfleischaufschnittsortiment – und kommt dabei fast ohne Zusatzstoffe aus. Noch besser, ganz ohne Zusatzstoffe, schneidet der neue Lyoner-Aufschnitt von Planted beim Coop ab: 61 Punkte.
Sämtliche Produkte des Schweizer Herstellers klassieren sich in den Bereichen «gut» (50–74 Punkte) oder «ausgezeichnet» (ab 75 Punkten). Obwohl im Schnitt deutlich besser abschneidend als echtes Fleisch, erreichen diesen Standard bei Weitem nicht alle Ersatzprodukte: Die pflanzenbasierte Salami von Amala zum Beispiel (24 Punkte) oder die veganen Landjäger (40 Punkte) haben zu hohe Werte an gesättigten Fettsäuren. Oh, und da wäre da noch das Vegi-Vorzeigeprodukt V-Love von der Migros: Ein Burger mit 84 Punkten.
Die App bietet auch Alternativen an
Kaum gescannt, erhalte ich bei einer schlechten Bewertung eines Produkts oft eine Auswahl von gesünderen Alternativen. So brauche ich mich nicht durchs gesamte Regal zu scannen.
Bei uns zu Hause kommt es nun regelmässig zu Yuka-Schätzrunden. Ketchup (von Heinz) beispielsweise bekommt 57 Punkte und hat überraschenderweise nur ein Zusatzstoff mit geringem Risiko.
Selten wird ein Produkt nicht erkannt. Diese Lücken betreffen Produkte, deren Herstellung weniger genormt ist oder die aufgrund anderer Kriterien nicht bewertet werden wie alkoholische Getränke).
PS: Findus-Plätzli schneiden im Fall «gut» ab! Nimm das, Foodie!