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Er war wie ein Vater für sie – bis er sie an den Brüsten und zwischen den Beinen betatschte

Das Aargauer Obergericht musste sich mit einem hässlichen Fall aus dem Fricktal beschäftigen. Zwei Mal soll ein Mann eine Jugendliche betatscht haben. Besonders schlimm: Der Beschuldigte lebte zum Tatzeitpunkt mit der Mutter des Opfers in einer Beziehung und war für dieses wie ein Vater.

Es geschah in der Küche eines Einfamilienhauses im Fricktal. Ein Mann soll dort eine damals 15-Jährige betatscht haben. «Von hinten umarmt», habe er sie, schilderte das Mädchen bei einer Befragung. Dann habe er ihr «an die Brüste gegriffen und fest gedrückt.» Es handelt sich um einen von mehreren Vorfällen, mit denen sich nun nach dem Rheinfelder Bezirksgericht auch das Aargauer Obergericht beschäftigen musste.

Die familiären Umstände rund um den Beschuldigten und das Opfer machen die Vorfälle besonders schlimm: Der Mann führte über mehrere Jahre eine Beziehung mit der Mutter des Mädchens. Die Patchwork-Familie lebte in einem gemeinsam erbauten Haus. Das Mädchen hatte zum Mann «eine vaterähnliche Beziehung», heisst es im nun publizierten Urteil des Obergerichts.

Der Beschuldigte fordert einen Freispruch

Das Bezirksgericht verurteilte den Mann 2021 wegen sexueller Nötigung sowie wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern zu einer bedingten Geldstrafe bei einer Probezeit von zwei Jahren. Ausserdem sollte er der Zivil- und Strafklägerin einen Schadenersatz, eine Prozessentschädigung sowie eine Genugtuung zahlen.

Der Beschuldigte ging gegen das Urteil allerdings in Berufung. Wie vor Bezirksgericht forderte er auch vor Obergericht einen Freispruch für sich. Das Gericht reduzierte nun zwar die Strafe, blieb aber beim Schuldspruch.

Dabei ging es für das Gericht vor allem darum, die Glaubwürdigkeit der Aussagen von Beschuldigtem und Opfer zu beurteilen. Denn der Vorfall in der Küche blieb zeugenlos. Ebenso beim zweiten gravierendem Vorfall: Der Mann soll das Mädchen damals nachts vom Bahnhof abgeholt und auf der Heimfahrt wieder betatscht haben. Wieder soll er ihr an die Brüste gegriffen haben. Mit dem Kommentar: «Ich mag dini zwei Brüscht».

Er änderte seine Version der Geschichte

Das Obergericht stützt sich bei seinem Urteil auch auf eine Videobefragung des Opfers. Dort hatte das Mädchen die beiden Vorfälle im Detail geschildert. «Insgesamt erscheinen die Aussagen der Geschädigten anschaulich und nachvollziehbar und enthalten eine hohe Anzahl an Realkriterien, welche darauf hindeuten, dass ihre Schilderungen dem tatsächlich Erlebten entsprechen», heisst es im Urteil.

Motive für eine Falschbelastung erkennt das Gericht hingegen keine. Im Gegenteil: Aus den Aussagen des Mädchens sei deutlich geworden, dass es seine Mutter gerade habe schonen wollen und besorgt gewesen sei, dass die Mutter sich Vorwürfe machen oder die Familie auseinander fallen könnte.

Die Aussagen des Beschuldigten fielen im Vergleich dazu «weniger detailliert und anschaulich aus», heisst es im Urteil weiter. Den Vorfall in der Küche habe er pauschal abgestritten. Und beim Vorfall im Auto änderte er im Verlauf des Verfahrens seine Version der Geschichte. In einem Gespräch habe er die Aussage zu den Brüsten des Mädchens eingeräumt. Bei einer Einvernahme dann gab er an, nicht die Brüste sondern die Augen der Geschädigten gemeint und stattdessen gesagt zu haben: «Diese zwei habe ich gern.»

Insgesamt würden die Aussagen des Beschuldigten eher knapp und pauschal erscheinen, «was grundsätzlich noch nicht gegen deren Glaubhaftigkeit spricht», schreibt das Obergericht im Urteil. «Allerdings weichen sie hinsichtlich der Äusserung ‹er habe die zwei gern› voneinander ab, womit Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Beschuldigten bestehen.»

Er musste monatelang auf das Urteil warten

Das Obergericht erachtet die Tatbestände der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern sowie der sexuellen Nötigung denn auch als erfüllt. Es bestätigt die vorinstanzlichen Schuldsprüche. Die Höhe der Strafe allerdings passt das Obergericht an. Grund ist unter anderem eine Verletzung des Beschleunigungsgebots.

An der erstinstanzlichen Verhandlung vor Bezirksgericht im November 2021 war dem Beschuldigten das Urteil zwar mündlich eröffnet worden, das Dispositiv erhielt er allerdings erst Mitte Januar 2022. Nachdem er daraufhin Berufung angemeldet hatte, verstrichen weitere 20 Monate, bis er das schriftlich begründete Urteil vorliegen hatte. Und das, obwohl es sich «weder um einen aussergewöhnlich umfassenden oder komplexen Straffall» handelte noch «das vorinstanzliche Urteil mit 33 Seiten besonders umfangreich» ausfiel, wie das Obergericht schreibt.

Es verurteilt den Beschuldigten zu einer leicht reduzierten Geldstrafe bei einer Probezeit von zwei Jahren. Ausserdem bleibt es beim Schadenersatz, einer Prozessentschädigung sowie einer Genugtuung für die Zivil- und Strafklägerin.

SST.2023.257