8000 Leute füllten Stress-Selbsttest aus – der Befund ist erschreckend
Jeder und jede kennt Stress.Sorgen, Nöte und Ängste verschonen niemanden, und Zeiten hoher Belastungen in Beruf oder Familie sind kaum jemandem wirklich fremd. Wenn die Belastung jedoch dauerhaft anhält, kann Stress krank machen. Gerade in der Arbeitswelt befinden sich viele Leute in einer Situation der permanenten Anspannung, die besonders dann zu einem Burnout und gesundheitlichen Problemen führen kann, wenn noch die Unfähigkeit dazukommt, sich zu entspannen und zu erholen.
Wie viele Erwerbstätige aber sind in der Schweiz von auf die Dauer krank machendem Stress betroffen? DerJob-Stress-Index 2022, den die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz in Zusammenarbeit mit der Universität Bern und der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften erhebt, zeichnet ein ernüchterndes Bild: Der Anteil jener Personen, deren Job-Stress-Index im kritischen Bereich liegt, beträgt 28,2 Prozent. Und der Anteil jener, die emotional erschöpft sind, liegt sogar bei 30,3 Prozent.
Über die Hälfte ist «chronisch gestresst»
Noch alarmierender sind die Ergebnisse einer Stress-Studie, die vom Start-up Mind Switch durchgeführt wurde. Das in Baar ZG ansässige Unternehmen ist im Bereich der Burnout-Prävention tätig und hat einenStress-Selbsttestentwickelt, der interessierten Personen eine Einschätzung ihres Stresslevels ermöglicht. Die überarbeitete Version des kostenlosen Online-Tools wurde Ende Januar lanciert; seitdem haben nach Angaben der Firma bereits mehr als 8000 Personen damit ihr Risiko für chronischen Stress oder ein Burnout ermittelt.
Gemäss einer Medienmitteilung von Mind Switch sind mehr als die Hälfte der Teilnehmer am Selbsttest «chronisch gestresst», knapp 40 Prozent «öfters gestresst» und lediglich 7 Prozent «wenig gestresst und ausgeglichen». Dieses düstere Resultat muss allerdings in zweierlei Hinsicht relativiert werden: Zum einen sind die Ergebnisse des Selbsttests nicht repräsentativ; der Test erhebt denn auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellt keine medizinische Diagnose dar. Mind Switch empfiehlt, sich für eine umfassende medizinische Diagnose an einen Haus- oder Facharzt zu wenden.
Zum anderen dürften die Ergebnisse dadurch verzerrt sein, dass unter den Teilnehmern – die hauptsächlich über die Sozialen Medien oder die Firmen-Homepage auf den Test gestossen sind – höchstwahrscheinlich Personen überrepräsentiert sind, die bereits das Gefühl haben, häufig gestresst zu sein.
Der Test besteht aus 23 geschlossenen Fragen (das heisst, Antwortmöglichkeiten sind vorgegeben), aus denen sich eine maximale Anzahl von 44 Punkten ergibt. Einem Resultat von 28 oder mehr Punkten (64 % der maximalen Punktzahl) wird die Kategorie «chronischer Stress» zugeordnet, zwischen 17 und 27 Punkten «moderater Stress». Werte darunter weisen dagegen auf einen Zustand hin, der «wenig gestresst und ausgeglichen» ist.
Die Teilnehmer am Selbsttest, deren Ergebnis «chronischer Stress» lautete, erreichten durchschnittlich 33,07 Punkte auf der Skala. Beinahe die Hälfte von ihnen erlebt regelmässig alle zehn Stress-Symptome, die am stärksten belasten.
Gedankenkreisen (83,69 %): Regelmässig wiederkehrende und schwer zu kontrollierende Gedanken
Schnell gereizt und genervt (80,40 %)
Gefühl der Überforderung (77,32 %): Häufig überlastet durch Aufgaben und Verantwortlichkeiten
Das Gefühl, den eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden (74,65 %)
Psychosomatische Symptome (74,58 %): Täglich Symptome wie Herzklopfen, Verdauungsprobleme, Libidoverlust etc.
Zukunftssorgen (73,58 %)
Schlafprobleme (72,34 %): Regelmässige Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen
Mühe zu entspannen (71,11 %)
Verspannungen, Kopf- oder Rückenschmerzen (69,06 %)
Fehlende Freude an den kleinen Dingen im Alltagsleben (66,74 %)
Zwei Drittel der Test-Teilnehmer aus dieser Gruppe gaben zudem an, dass sie die Vorstellung in Panik versetzt, ihr Stresslevel könnte noch längere Zeit anhalten. Dieser Zustand kann eine Vorstufe zum Burnout sein und erhöht das Risiko für zahlreiche Gesundheitsprobleme.
Und diese gesundheitlichen Probleme haben – zusammen mit dem Verlust an Produktivität, der mit einem hohen Stresslevel oft einhergeht – auch wirtschaftliche Folgen: Arbeitsbezogener Stress verursacht hierzulande laut Gesundheitsförderung Schweiz (2022) jährlich geschätzte Kosten von 6,5 Milliarden Franken. Die reduzierte individuelle Leistungsfähigkeit chronisch gestresster Erwerbstätiger – mehr als 90 Prozent aus dieser Gruppe gaben an, ihre Leistung habe teilweise oder deutlich abgenommen – kann ausserdem die Teamdynamik, die Innovationskraft und das allgemeine Arbeitsklima in einem Unternehmen beeinträchtigen.
Die Teilnehmer, die in die Kategorie «moderater Stress» fielen, erreichten im Schnitt 22,78 Punkte auf der Stressskala.
Gedankenkreisen (50,85 %)
Schnell gereizt und genervt (47,85 %)
Gefühl der Überforderung (46,61 %)
Schlafprobleme (41,49 %)
Psychosomatische Symptome (39,78 %)
Mühe zu entspannen (38,61 %)
Verspannungen, Kopf- oder Rückenschmerzen (36,84 %)
Die «moderat Gestressten» befinden sich in einer aktuell angespannten Situation, in der es entscheidend ist, zwischendurch wirklich abzuschalten und zu entspannen. Ohne solche Erholungsphasen kommen Körper und Geist kaum zur Ruhe und der Stress bleibt ein ständiger Begleiter – was früher oder später die mentale und physische Gesundheit beeinträchtigen kann.
Alarmierend in dieser Gruppe ist überdies der hohe Prozentsatz der Teilnehmer (766 Personen, knapp 10 % der Gesamtzahl), deren Ergebnis nur einen oder zwei Punkte unter dem Grenzwert zur Kategorie «chronischer Stress» liegt. Da die Grenzen zwischen den Gruppen fliessend sind, sind auch diese Personen tendenziell gefährdet.
Obwohl die Ergebnisse des Stress-Selbsttests wie erwähnt nicht repräsentativ und mit hoher Wahrscheinlichkeit verzerrt sind, ist der Befund alarmierend. Chronischer Stress untergräbt die Lebensqualität massiv und setzt Körper und Geist unter starken Druck. Am Ende droht ein vollständiger emotionaler und physischer Erschöpfungszustand. Es handelt sich um einen Zustand, der nicht auf Dauer toleriert, sondern behandelt werden sollte.