Genial oder banal? Das Leoparden-Plakat für «Locarno77» löst eine Kontroverse aus
Die neue Präsidentin des Filmfestivals von Locarno, die Basler Kunstmäzenin Maja Hoffmann, war bisher am Lago Maggiore wenig präsent. Der ersten Generalversammlung unter ihrem Präsidium blieb sie Anfang Mai aus «Termingründen» fern. Sie produzierte eine Videobotschaft, die über den Bildschirm des Kinos Gran Rex flimmerte. Doch nun hat Maja Hoffmann gleich selbst für die erste Polemik des Filmfestivals Nummer 77 gesorgt, das vom 7. bis 17. August stattfindet.
Stein des Anstosses ist das offizielle Plakat, das die US-amerikanische Fotografin Annie Leibovitz – eine persönliche Freundin von Hoffmann – entworfen hat. Das Bild zeigt einen Leoparden unter wolkenverhangenem Himmel am Ufer des Lago Maggiore.
Genialität oder Banalität? Darüber scheiden sich die Geister. Sicher ist jedenfalls, dass das Plakat einen klaren Bruch mit der Vergangenheit darstellt. Denn die Poster von Locarno waren stets eine grafische Inspiration, die mit den Grundfarben von Gelb und Schwarz spielte. Zudem divergiert der gewählte Schrifttyp eindeutig vom bisherigen Konzept. Der Font erinnert mehr an ein Country-Festival im amerikanischen mittleren Westen denn an eine Kulturveranstaltung in der Schweiz.
Das Festival spricht in der begleitenden Medienmitteilung von der «emblematischen Figur des Pardo». Seine einzigartige Schönheit und Zerbrechlichkeit mache ihn zu einem eindringlichen Symbol unserer Zeit. Und Maja Hoffmann lobt darin die Zusammenarbeit mit «einer der angesehensten Bildgestalterinnen unserer Zeit». Tatsächlich hat Annie Leibovitz prominente Persönlichkeiten wie John Lennon und Yoko Ono, Königin Elisabeth II. oder Barack Obama ikonisch in Szene gesetzt.
Die Präsenz des Leoparden auf dem Bild des Lago Maggiore, so Hoffmann weiter, «verstärkt die kraftvolle Natur der Geschichten, die wir alle dieses Jahr durch die Arbeiten der Filmemacher/innen und Künstler/innen während des Festivals im August erleben werden».
«Nicht die Leibovitz, die ich kenne»
Doch diese Einschätzung wird nicht allgemein geteilt. Ganz im Gegenteil. Kaum war das Plakat publiziert, hagelte es Kritik und Häme. Im Fernsehen der italienischen Schweiz (RSI) kritisierte die Direktorin des Grafikmuseums m.a.x. in Chiasso, Nicoletta Ossanna Cavadini, das Plakat, ebenso der bekannte Fotograf Oliviero Toscani. «Das ist nicht die Leibovitz, die ich kenne», sagte er.
Der Tenor in den sozialen Medien lautete, dass es sich um eine banale Photoshop-Kreation handle. Sogar an der Echtheit des Fotos wurde gezweifelt. Schnell gefertigte Bilder mit Zebras am Lago Maggiore machten die Runde.
Die Verteidigung des Plakats übernahm Filmfestival-Direktor Giona A. Nazzaro. In einem langen Interview mit der Tessiner Tageszeitung «La Regione» gestand er ein, dass es sich um einen Bruch mit der Vergangenheit handele, doch an der Qualität des Werkes wollte er keine Zweifel aufkommen lassen. Allerdings könne er verstehen, dass das Plakat nicht überall für Begeisterung sorge.
Sicher ist: Das Plakat hat Aufmerksamkeit generiert und Diskussionen ausgelöst. Und damit hat das Filmfestival von Locarno schon ein Ziel erreicht.