Sie sind hier: Home > Gesundheitswesen > Der Ständerat nimmt die Medikamentenkosten ins Visier – und legt sich mit der Pharma an

Der Ständerat nimmt die Medikamentenkosten ins Visier – und legt sich mit der Pharma an

Pharma-Hersteller sollen Rabatte auf umsatzstarke Medikamente gewähren. Das fordert der Ständerat. Es winken Hunderte Millionen Franken an Einsparungen – doch die Pharmabranche warnt vor den Folgen für die Patienten und Patientinnen.

Der Druck ist hoch, so kurz nach der Abstimmung über die beiden Gesundheitsinitiativen: Kann das Parlament dem Wachstum der Gesundheitskosten etwas entgegensetzen, so, wie es die Bevölkerung erwartet? Auf dem Tisch liegen Vorschläge zur Kostendämpfung – und der Ständerat schlägt tatsächlich einen Pflock ein: Er baut das Kostendämpfungspaket II aus, verdoppelt das Sparvolumen beinahe, von 450 auf 850 Milliarden Franken.

Eine Massnahme, die kurzfristig ihren Weg ins Paket fand, hat es in sich: Der Bund soll für Arzneimittel mit grossem Marktvolumen Mengenrabatte festlegen können. Erzielt ein Hersteller mit einem Medikament einen sehr hohen Umsatz, muss er also Preisabschläge hinnehmen. 400 Millionen Franken Einsparungen werde das bringen, schätzt das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Das wäre etwas mehr als ein Prämienprozent.

Den Anstoss für diese Massnahme hatte FDP-Ständerat Josef Dittli 2019 gegeben, als er noch Präsident des Krankenkassenverbandes Curafutura war. Das Parlament hatte seine Motion 2020 sehr deutlich angenommen. Doch danach geschah zunächst nichts.

Nun hat die Gesundheitskommission des Ständerats diese kurzerhand ins Kostendämpfungspaket reingepackt. Trotz des ungewöhnlichen Manövers und trotz Widerstand aus der Pharmabranche flutschte die Massnahme am Donnerstag im Ständerat oppositionslos durch: Niemand stellte den Antrag, sie abzulehnen. Es macht sich gerade schlecht, eine Sparmassnahme abzulehnen.

So blieb es bei ein bisschen Kritik für die Galerie. FDP-Ständerat Müller bemängelte, dass es keine Vernehmlassung gegeben hatte, und Hannes Germann (SVP) befand: So, wie die Massnahme «jetzt reingebuttert wurde, geht das wirklich nicht». Er hoffe, dass der Nationalrat nachbessere.

Auch zwei weitere Massnahmen mit einem geschätzten Sparpotenzial von insgesamt 450 Millionen Franken – vertraulichePreismodelleundNetzwerke zur koordinierten Versorgung– hiess der Ständerat gut. Damit hat er das Sparvolumen im Vergleich zum Nationalrat deutlich ausgebaut.

Medikamente treiben Kosten in die Höhe

Dass die Politik bei den Medikamenten ansetzt, ist kein Zufall. Die Arzneimittelkosten der obligatorischen Krankenversicherung sind stark gestiegen – von 5,85 Milliarden Franken im Jahr 2014 auf über 8,4 Milliarden Franken 2022. Die Kosten der 30 umsatzstärksten Arzneimittel nahmen um mehr als 70 Prozent zu,wie das BAG in einem Bericht schreibt. Gerade breit eingesetzte Krebsmedikamente, Immunsuppressiva und Antidiabetika wachsen demnach seit Jahren am stärksten. Mit Arzneimitteln wie beispielsweise dem Krebsmedikament Keytruda würden inzwischen Umsätze von über 150 Millionen Franken generiert, hält das BAG fest.

Ab welcher Schwelle ein Rabatt verlangt werden kann, wird im Gesetz nicht geregelt. Für seine Schätzung geht das BAG davon aus, dass ab einem kumulierten Umsatz von 25 Millionen Franken ein Rabatt von 20 bis 25 Rabatt gefordert werden kann. Ab dieser Schwelle, so die Annahme, hat der Hersteller seine Kosten für Forschung und Entwicklung amortisiert. Aktuell würde dies laut BAG zirka vierzig Arzneimittel und Wirkstoffe betreffen. Die Versorgungssicherheit werde dadurch nicht gefährdet.

Pharma-Verbände wehren sich

Mit seinem Entscheid legt sich der Ständerat mit der Pharmabranche an. Die Verbände Interpharma und Vips sprechen sich einhellig gegen die Massnahme aus. Solche Kostenfolgemodelle – so die offizielle Bezeichnung des Rabatt-Mechanismus – seien nur als Teil einer gesamtheitlichen Modernisierung der Preisbildung für Medikamente anzuwenden, fordern sie. «Es geht nicht zuletzt darum, ob innovative Medikamente auch in Zukunft auf den Schweizer Markt kommen oder nicht», warnt Interpharma.

Die Pharmabranche dürfte nun auf den Nationalrat einwirken, den Entscheid zu korrigieren. Er berät als Nächstes zum zweiten Mal über das Kostendämpfungspaket. Erst am Schluss wird sich zeigen, was davon übrig bleibt.