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Trotz Nemos Forderung: Schweizer Bevölkerung lehnt ein drittes, amtliches Geschlecht ab

Wie weit soll die Schweiz auf die Forderungen von nichtbinären Menschen eingehen und ein amtliches drittes Geschlecht einführen? Die Debatte läuft. Eine Umfrage zeigt: Die Zeit scheint nicht reif dafür.

Soll die Schweiz ein drittes, amtliches Geschlecht einführen? 57 Prozent der Schweizer Bevölkerung lehnen dies ab. Das zeigt eine von Tamedia in bei Leewas in Auftrag gegebenerepräsentative Umfrage. Die Ablehnung ist in allen Altersgruppen etwa gleich hoch. Zudem: Sowohl Männer wie Frauen lehnen ein amtliches drittes Geschlecht ab. Zustimmung findet das Anliegen aber in Städten, im Gegensatz zum Land.

Es fällt auf, dass auch die Gruppe der 18- bis 34-Jährigen gegen das Anliegen ist, wo eher Zustimmung erwartet worden wäre. Den Politologen Lucas Leeman überrascht das nicht. Der Tagesanzeiger zitiert ihn mit der Aussage: «Wir sehen das etwa auch bei den Klimajugendlichen: Nur weil sie durch ihre Demonstrationen öffentlich sehr präsent sind, heisst das nicht, dass sie eine Mehrheitshaltung ausdrücken.»

Das Thema drittes, amtliches Geschlecht erfuhr durch Nemo öffentliche Präsenz. Noch in der Nacht des ESC-Sieges sagte Nemo vor den Medien: «Das ist inakzeptabel, das müssen wir ändern.» Und Nemo sprach von einem Treffen mit Justizminister Beat Jahns.

Nemo singt am letzten Freitag im Rahmen des Pride Festivals auf der Zürcher Landiwiese seinen ESC-Song «The Code».
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Noch unter Jahns‘ Vorvorgängerin Karin Keller-Sutter erteilte der Bundesrat der Forderung nach einem dritten Geschlecht eine Absage. Die Gesellschaft sei noch nicht bereit dafür, befand der Bundesrat Ende 2022 in einem Bericht. «Das binäre Geschlechtermodell ist nach wie vor stark in der Gesellschaft und im alltäglichen Leben verankert.»

Die Einführung eines dritten Geschlechts hätte dagegen «weitreichende Konsequenzen». So müsste nicht nur die Verfassung angepasst werden, sondern auch zahlreiche Gesetze und Verordnungen. Wie schwierig das ist, zeigt sich laut dem Bundesrat exemplarisch an der Militärdienstpflicht. Weil diese nur für Männer gilt, gebe es in der Verfassung eine «rechtliche Unterscheidung nach dem binären Geschlechtssystem». Doch wie soll die Militärdienstpflicht für eine Person des dritten Geschlechts geregelt werden?

Über die Bücher müsste der Bundesrat auch bei zahlreichen Bestimmungen im Sozialversicherungsrecht. Dort wird etwa bei der Altersrente, Arbeitslosigkeit, Mutterschaft und Erwerbsausfall zwischen Mann und Frau unterschieden.

Ins Feld führt der Bundesrat auch praktische Überlegungen. So sei es üblich, die Geschlechter unter bestimmten Umständen räumlich zu trennen – etwa im Strafvollzug und in medizinischen Institutionen. Lösungen müssten auch für Toiletten und Garderoben gefunden werden, die heute «grundsätzlich von Gesetzes wegen nach Geschlecht getrennt» seien. Auch fürchtet der Bundesrat einen «Informationsverlust für die Politik und die Gesellschaft», weil Statistiken nicht mehr aussagekräftig sein könnten.


Eine andere Möglichkeit wäre, auf den Geschlechtereintrag im Personenregister gänzlich zu verzichten – so wie es bereits andere Länder kennen.

Hierzulande lässt sich seit 2022 zwar das Geschlecht wechseln, doch das Parlament hat an der binären Logik explizit festgehalten. Auch der Bundesrat hält eine Abkehr für nicht angebracht. Um den Eintrag in allen Registern entsprechend zu ändern, wäre der Aufwand immens. Kritiker bemängeln, dass der Geschlechtereintrag schon heute nicht einheitlich gehandhabt werde. Auf dem Führerausweis ist das Geschlecht nicht vermerkt und auf der ID gab es früher keine Erwähnung.(jk/rwa)